Recht auf Manipulation

Schluss mit gentechnikfreien Regionen: Schleswig-Holsteins Umweltminister schert aus Bündnis aus

Die Umweltpolitik in Schleswig-Holstein bleibt spannend. Die neueste Aktion der schwarz-roten Landesregierung: Schleswig-Holstein ist aus dem europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen ausgetreten –„klammheimlich“, sagt Karl-Martin Hentschel, umweltpolitischer Sprecher der Landtags-Grünen. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage nannte das Landwirtschaftsministerium, das sich nebenbei auch um Umwelt kümmern soll, die Gründe: Erstens sei der Zusammenschluss der Regionen kein Verband, sondern bloß ein informelles Netzwerk, zweitens habe die Europäische Kommission regionale Anbauverbote für gentechnisch veränderte Pflanzen für unzulässig erklärt.

Aber darum gehe es gar nicht, sagt der Geschäftsführer des Umweltverbandes NABU, Ingo Ludwichowski: „Das Anliegen ist Öffentlichkeitsarbeit. Es geht darum, das Thema nicht aus den Augen zu verlieren.“

Schleswig-Holstein, damals rot-grün regiert, gehörte zu den Gründerregionen des Netzwerkes. Heute sind unter anderem die Toskana, Wales, die Normandie, das Baskenland und weite Teile Griechenlands und Österreichs beteiligt – 36 Regionen in acht Staaten. In Deutschland war Schleswig-Holstein einziges Mitglied. „Wenn das Land austritt, hat das immensen symbolischen Wert“, so Ludwichowski. Er glaubt, der Ruf des Landes könne leiden. Ökobauern und konventionelle Landwirte fürchten, dass ihre Ernten durch genveränderte Pflanzen verdorben werden. Das Ministerium weist die Bedenken zurück: „Die Regierung ist der Meinung, dass ein Nebeneinander möglich ist.“ Zurzeit werden im Land keine genveränderten Pflanzen angebaut – der Koalitionsvertrag lässt die Frage offen.Der agrarpolitische Sprecher der SPD, Henning Höppner, sagte auf taz-Anfrage: „Gerade deshalb wäre es sinnvoll und wünschenswert gewesen, die Entscheidung in den Fraktionen zur Diskussion zu stellen. Dies hat der Umweltminister nicht getan. Den Austritt bewerten wir als falsch und bedauerlich.“ Die SPD plane, das EU-Recht zu ändern, um gentechnikfreie Regionen einrichten zu können. Auch wenn die SPD sich sperrt, ist NABU-Geschäftsführer Ingo Ludwichowski alarmiert: „Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass entsprechende Unternehmen sich hierher orientieren.“

Esther Geißlinger