Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Steht man heute am Brandenburger Tor im Touristenrummel, dann ist das alte Westberlin der Mauerzeit mit seinen kriegsbedingten Baulücken und den Einschusslöchern wahrlich sehr weit weg. Doch in genau diese Welt, als Berlin die direkte Schnittstelle zwischen Ost und West darstellte, führt uns ein Spionagethriller wie „Funeral in Berlin“ (1966): Der britische Agent Harry Palmer (Michael Caine), ein mit reichlich Ironie und Durchblick gesegneter Anti-Bond, soll ebendort die Flucht eines sowjetischen Offiziers in den Westen in die Wege leiten. Doch der russische Oberst hat tatsächlich ganz andere Pläne – und Palmer ist der einzige, der seinen Gegenspieler wirklich ernst nimmt. Der britische Regisseur Guy Hamilton inszenierte das Treiben der Agenten schön undurchsichtig und verwirrend – also genau so, wie ein Spionagethriller sein muss. ((OmU) 11. 6., Freiluftkino Mitte)

Zeiten ändern sich: 1984 drehte der Disney-Angestellte Tim Burton einen dreißigminütigen Kurzfilm namens „Frankenweenie“, nach dessen Fertigstellung das Studio den Nachwuchsregisseur kurzerhand vor die Tür komplimentierte – in einem Horrorfilm für Kinder konnten die Studiobosse einfach kein kommerzielles Potenzial erkennen. Burton machte mit diesem Konzept anschließend eine Weltkarriere, und heute sind insbesondere die amerikanischen Stop-Motion-Trickfilme allesamt „Horror“-Werke. Darunter auch Burtons schwarz-weißes Puppen-Remake von „Frankenweenie“, in dem er der Storyline des einstmals mit Schauspielern gedrehten Kurzfilms getreulich folgt: Zwar kann der jugendliche Viktor Frankenstein seinen bei einem Unfall getöteten Hund Sparky wiederbeleben, muss aber feststellen, dass die Mitmenschen darauf seltsam reagieren. Natürlich geht alles gut aus: eine amüsante Unternehmung mit reichlich makabrem Humor, liebevoller Figuren-Charakterisierung und dem handwerklichen Charme der Stop-Motion-Animation. ((OmU) 6. 6.–12. 6., Tilsiter Lichtspiele)

Eine unglaubliche Geschichte greift Regisseur Bart Leyton in seiner Dokumentation „The Imposter“ auf: 1994 verschwindet der 13-jährige Nicholas spurlos in Texas. Vier Jahre später erhält seine Familie die Nachricht, er sei in Spanien als Opfer eines Pädophilen-Rings wiederaufgetaucht. Doch statt eines 17-jährigen, blonden und blauäugigen Jungen holt die Schwester einen 23-jährigen, schwarzhaarigen und braunäugigen Mann nach Hause, der Englisch mit französischem Akzent spricht. Der Mann ist ein Betrüger, aber wieso scheint das niemand zu merken? Wie ein Thriller wartet „The Imposter“ mit immer neuen Wendungen auf, die den Zuschauer auch mit der eigenen Leichtgläubigkeit konfrontieren. ((OmU) 6. 6.–11. 6., Central 2)