Prima integriert

Kreisläufer Andrej Klimovets wurde erst im September eingebürgert. Bei der EM ist er der effektivste DHB-Spieler

BASEL taz ■ Wenn der Mann vor einem steht, kann man sich gut vorstellen, was sich in den Köpfen der Gegner abspielt. Was heißen soll: Andrej Klimovets flößt allein durch seine Statur Respekt ein. 1,97 Meter ist er groß, 103 Kilogramm schwer, vor allem seine Hände sind riesige Pranken. So ein Kerl wie „Klimo“ musste einfach Handball-Profi werden, besonders für die knallharte Maloche am Kreis scheint er wie geschaffen. Dort teilt er aus und steckt auch ein – und verliert dabei doch fast nie die Contenance. So einen wie Klimovets hat Bundestrainer Heiner Brand wirklich prima gebrauchen können für den Aufbau der neuen Handball-Nationalmannschaft, sonst hätte er ihn ja wohl auch kaum geholt: Erst am 22. September vergangenen Jahres erhielt der 31-Jährige die deutsche Staatsbürgerschaft. Das heutige Hauptrundenspiel gegen die Ukraine ist erst sein 15 Länderspiel für die DHB-Auswahl, davor hat er 112-mal die Knochen für Weißrussland hingehalten, im Verein sammelte er mit SKA Minsk und der SG Flensburg-Handewitt einige nationale wie internationale Titel, seit dieser Saison spielt er für die SG Kronau/Östringen.

„Klimo ist voll mit dem Herzen dabei“, lobt Heiner Brand seinen „Jung-Nationalspieler“. „Ich kann mit ihm viel und fruchtbar über Handball reden.“ Vor allem aber: Klimovets hat die Lücke, die Lemgos Institution Christian Schwarzer durch seinen Rücktritt hinterlassen hat, respektabel geschlossen. „Meine Mitspieler haben mich ja auch prima integriert“, gibt der 31-Jährige derartige Komplimente umgehend weiter.

Die Zahlen sprechen auch bei der EM eine deutliche Sprache. Klimovets ist bislang von den Statistiken her (76 Prozent Trefferquote) der effektivste Deutsche bei der EM in Basel. Vorne drischt er fast jeden Ball zwischen die Maschen, hinten bildet er – je nach Situation und Taktik – mit Frank von Behren oder Oliver Roggisch eine stabile Mauer. Dabei klingt Klimovets’ Handball-Philosophie ebenso plausibel wie einfach: „Wir müssen kämpfen und Leistung bringen. Alles andere kommt wie von selbst. Diese Mannschaft lebt vom Teamgeist.“

Mag sein, dass Klimovets in Weißrussland geboren und aufgewachsen ist, jetzt aber zerreißt er sich für Deutschland. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Auch ein Anbruch des rechten Fersenbeins im Dezember, eine Naht unterhalb des Auges und ein abgebrochener Zahn als Folge des EM-Vorbereitungsturniers in Slowenien und Kroatien sowie „ein bisschen Blut“ aus der Nase beim samstäglichen Pflicht- und Arbeitssieg gegen die Slowakei (31:26) kann ihn nicht aus der Fassung bringen. „Die Maschine läuft“, merkt er nur augenzwinkernd an.

Da konnte auch die sonntägliche 25:27-Niederlage im letzten Vorrundenspiel gegen Frankreich nichts dran ändern, zumal „Klimo“ mit sechs Toren erneut bester Werfer im DHB-Team war. Wie es überhaupt keinen Grund gab, die Köpfe hängen zu lassen, auch wenn das Erreichen des Halbfinales nur noch bei einem Ausrutscher der Vorrundengegner Spanien und Frankreich möglich ist. Aber mit dem Halbfinale durfte die deutsche Mannschaft diesmal ohnehin nicht unbedingt rechnen, schon wegen all der Verletzungen im Vorfeld. Und so war auch Heiner Brand alles in allem zufrieden: „Wir haben einem Favoriten des Turniers 45 Minuten Schwierigkeiten gemacht, sind aber daran gescheitert, dass wir es nicht geschafft haben, uns Torchancen herauszuspielen. Es gibt aber keinen Grund, die Köpfe hängen zu lassen. Wir werden erhobenen Hauptes in die Hauptrunde gehen und versuchen, uns so teuer wie möglich zu verkaufen“, stellte der Bundestrainer fest. Dort trifft das DHB-Team auf die Ukraine (heute), Slowenien (Mittwoch) und Polen (Donnerstag). Andrej Klimovets wird den Gegenspielern auch in diesen Spielen wieder jede Menge Respekt einflößen. JOACHIM KLAEHN