„Lasst ihn mal machen!“

Schalke 04 gewinnt das erste Spiel unter Mirko Slomka in Kaiserslautern mit 2:0. Der Neutrainer wertet das als ein Zeichen an die Konkurrenz und sagt: Die anderen wissen jetzt Bescheid

AUS KAISERSLAUTERNOLIVER TRUST

Irgendwo bei Hildesheim in Niedersachsen saß am Sonntagabend ein Mann mit dem Vornamen Karl-Heinz und schaute seinem Sohn dabei zu, wie der seinem Lieblingsverein wieder ein Stück Hoffnung raubte. Karl-Heinz Slomka ist glühender Anhänger des 1. FC Kaiserslautern, was nicht weiter schlimm wäre. Er ist aber auch der Vater von Mirko Slomka – und der ist seit ein paar Wochen Cheftrainer des FC Schalke 04. Es war nur ein kurzer Moment, in dem sich Mirko Slomka nach dem 2:0-Sieg Sorgen um das Verhältnis zu seinem Vater machte. „Der“, sagte Schalkes Pressesprecher Gerd Voss und zeigte mit dem Finger direkt auf dessen Brust, „hat heute sein Häuschen verspielt, der kriegt nix mehr.“ Und sie lachten beide, was eindeutig als Beleg für zwei Vermutungen taugt: Mirko Slomka wird nicht enterbt, weil der FCK kaum noch zu retten ist. Und: Die Erleichterung in Gelsenkirchen-Buer ist spürbar enorm, weil das erste Spiel des Neuen mit einem ungefährdeten Erfolg endete.

Selbst Rudi Assauer erkannte noch in dieser Nacht die Tragweite der Ereignisse. Mit Zigarre und kleinen Augen stand der Mann, der zwischen glorreicher Vergangenheit als einflussreicher Manager und der ungewissen Zukunft als Präsident ohne Macht pendelt, im Fernsehstudio und sagte staatsmännisch: „Jetzt lasst ihn doch mal machen, der schafft das, wenn kein anderer da war.“ Assauer stichelte nicht mehr offen und sagte wie jüngst spöttelnd über den ewigen Assistenten von einst: „Auf den wäre ich nicht gekommen.“ Andere haben Slomka auf den Posten befördert, der designierte Manager Andreas Müller und andere Mächtige aus der Firma Schalke 04. Assauer hält still, weil er fürchten muss, sonst weiter entmachtet zu werden.

Wie Assauer haben sich alle Schalker für den 38 Jahre alten, immer lächelnden „netten Herrn Slomka“ gefreut, weil sie nach den vielen Turbulenzen um den Rauswurf von Ralf Rangnick und die nervenaufreibenden Altersteilzeitregelungen für Assauer Ruhe so dringend brauchen. Sonst wird es nichts mit der Champions League, doch das Geld benötigt kaum ein Klub dringender als Schalke. „Slomka, du schaffst es“, schrieben ein paar Schalke Fans auf ein Bettlaken. Typen, die eigentlich keine Chance haben, die mögen sie im Revier immer noch am liebsten. Und Slomka hat keine Chance. Eigentlich. Vielleicht doch. Und genau so geht er ans Werk. Er lächelt, die Scheinwerfer leuchten auf seine große Nase – und er sagt: „Egal wie das hier ausgeht, ein halbes Jahr Cheftrainer auf Schalke, das kann mir keiner mehr nehmen.“

Wie ein unbekannter Prüfling, den die strengen Professoren an der Sporthochschule in Köln beim Trainerlehrgang „Fußballgrundschule“ zum mündlichen Test ins Zimmer riefen, steht er da und erklärt mit stoischer Ruhe. 4-4-2 spielt er am liebsten. Aber nicht immer. Er ist seit 16 Jahren im Fußballgeschäft. Und: „Mein erstes Spiel als Trainer war Tennis Borussia Berlin gegen Rot-Weiß Essen. Wir haben 2:0 gewonnen. Also wirklich neu war das heute nicht.“

Mirko Slomka versucht erst gar nicht den Eindruck zu erwecken, er sei der große Macher. Es würde ihm wohl auch keiner abnehmen, wenn sich der joviale Assistent plötzlich zum harten Schleifer wandelte. „Freiheit würde ich das nicht nennen. Ich gebe die Vorgaben, aber wir haben gestandene Profis auf dem Platz.“ So dürfen ihn viele „Marietta“ nennen, ohne dass er einstweilige Verfügungen erwirkt und mit Rechtsanwälten droht. Außerdem stimmt es, er hat Post bekommen von jener Marietta Slomka, die beim Zweiten Deutschen Fernsehen das „heute journal“ moderiert und ihn treffen will, um Ahnenforschung zu betreiben. Vielleicht sei man ja verwandt, soll sie gesagt haben.

„Wir versuchen hier emotionslos zu arbeiten“, sagte er und meinte sich. Es gibt so viele Hitzköpfe auf Schalke, da erscheint es ihm besser, den Trainer zu geben, „der die Übersicht behält“. Bis zum 30. Juni wird er vorerst als Cheftrainer bezahlt, allein dafür lohnt es sich, Cheftrainer zu sein. „Wir wollen in die Champions League. Dafür haben wir ein Zeichen gesetzt. Die anderen wissen jetzt Bescheid.“ Das gilt auch für Karl-Heinz Slomka, seinen Vater. Der weiß jetzt, sein Sohn nimmt jede Chance wahr, etwas zu beweisen. Und dabei nimmt er nicht mal Rücksicht auf seinen Lieblingsverein aus Kaiserslautern.