„Bush wird bescheidener werden“

Der Politologe John Fortier vom konservativen American Enterprise Institute über die Bedeutung der heutigen Rede des US-Präsidenten George W. Bush zur Lage der Nation

taz: Herr Fortier, könnte die Rede zur Lage der Nation, die US-Präsident George Bush heute Abend halten wird, Hinweise auf eine überarbeitete Agenda enthalten? Wird er nach den heftigen Schlappen in der zweiten Jahreshälfte 2005 ein Comeback inszenieren?

John Fortier: Wir werden davon etwas merken. Wobei die Rede meiner Meinung nach überbewertet wird, denn sie ist nicht das Instrument, um die Agenda neu zu definieren. Bush hat außerdem bereits einige Versuche gestartet, die Dinge wieder ins Laufen zu bringen. Die wichtigen außenpolitischen Punkte seiner Rede werden den Irak betreffen.

Wird Bush genauer definieren, wann er wie viele Truppen abziehen wird?

Nein, der Präsident hat bereits deutlich gemacht, dass er sich da nicht festlegen will. Er wird vielmehr den eingeschlagenen Kurs, nämlich die Truppen zu reduzieren, bestätigen und erklären, warum wir besser darauf vorbereitet sind. Er wird weiterhin Hoffnungen äußern, dass der Zeitpunkt, an dem die Macht ganz auf die Iraker übergehen kann, näher rückt. Aber auch hier wird er nichts Konkretes über die Parameter sagen.

Im November 2006 finden die Wahlen zum US-Kongress statt. Bushs Parteifreunde befürchten, mit dem immer unpopuläreren Irakkrieg Stimmen zu verlieren. Gab es im Vorfeld dieser Rede Druck auf das Weiße Haus, sich hier zu positionieren?

Ich habe nicht den Eindruck, dass die Republikaner zu übereilt aus dem Irak raus wollen. Es reicht ihnen, wenn der Präsident bestätigt, man sei auf dem Weg raus. Mehr wollen sie gar nicht. Sie werden auch nicht auf einer deutlich reduzierten Truppenpräsenz bestehen. Wem das natürlich nicht reicht, sind die Demokraten, die sind in dieser Frage viel zerstrittener.

Wird George Bush in seiner Rede den Europäern die Hand reichen? Indem er ein Umdenken in Sachen Guantánamo, Folter und Einhaltung internationaler Verträge anspricht?

Die Zustimmungsrate für den Präsidenten sank hinsichtlich des Irakkrieges. Im Allgemeinen aber bekommt er Pluspunkte, wenn es um den Krieg gegen den Terror geht. Er wird seine Politik, was die Beibehaltung der Antiterrorgesetze wie den Patriot Act betrifft und die Überwachung von Telefon und E-Mails, deutlich verteidigen. Ich glaube nicht, dass er da Kompromisse eingehen wird, denn er ist sich seiner Sache sehr sicher, auch wenn unsere nationale Sicherheit ein polarisierendes Thema ist.

Also wird Bush wieder ganz kämpferisch die Rede nutzen, um den Wahlkampf zwischen Republikanern und Demokraten einzuläuten?

Ja, das könnte man so sehen. Zumal alles darauf hindeutet, dass die Demokraten aufholen und eventuell sogar eine Kammer im Kongress zurückgewinnen könnten. Dabei ist das Thema der nationalen Sicherheit zentral, sowohl für die Wählenden als auch für den Präsidenten.

Wird es in seiner Rede Überraschungen geben?

Wir werden eine Reihe bescheidener Vorschläge hören. Ganz anders als 2004. Nach seinem zweiten Wahlsieg verkündete der Präsident, er habe große Dinge vor, Steuerreform, die Sozialhilfereform, Reform der Einwanderungsgesetze. Nichts davon ist ihm gelungen. Deshalb hat er ja auch sehr an Glaubwürdigkeit verloren. Auch die Kassen sind leer, das Defizit ist auf Rekordhöhe gestiegen. Diesmal wird er viel bescheidenere Vorhaben präsentieren, die sich eher verwirklichen lassen, wie zum Beispiel diverse Reformen innerhalb des US-Gesundheitssystems, das ist etwas, was beide Parteien im Kongress wieder näher bringen könnte.

Ist Bush damit schon jetzt zur „lame duck“ geworden?

Ich finde, man muss ihm gute Noten geben für sein Comeback in den letzten Wochen. Er hat stets gesagt, dass im Mittelpunkt seiner Präsidentschaft die nationale Sicherheit und der Krieg gegen den Terrorismus steht, davon ist er nicht abgewichen.

INTERVIEW:
ADRIENNE WOLTERSDORF