„Widerstände sind ein Medienprodukt“

BEWERBUNG Oberbürgermeister Christian Ude ist sich sicher, dass die allermeisten Münchner und Garmischer hinter dem Projekt Olympia 2018 stehen, und schwärmt von den ökologischen Vorteilen der deutschen Kampagne

■ Seit 1993 ist der SPDler Oberbürgermeister von München. 2008 wurde der heute 62-Jährige mit 66,8 Prozent der Stimmen zum dritten Mal als OB im Amt bestätigt.

INTERVIEW MARKUS VÖLKER

taz: Herr Ude, haben Sie schon Angst vor den Gegnern der Münchner Olympiabewerbung, die sich unter dem Slogan „Nolympics 2018“ formiert und jetzt auch einen Internetauftritt haben?

Christian Ude: Also, ich halte die Widerstände für ein Medienprodukt. Tatsache ist doch, dass die Bundesregierung die Bewerbung zur nationalen Aufgabe erklärt hat. Auch 80 Prozent des Bundestages sind dafür. Im bayerischen Landtag ist die Unterstützung noch größer, und im Münchner Stadtrat beträgt sie sogar 95 Prozent. Da sind sämtliche Stimmen der Grünen-Fraktion mit dabei. Ich sehe nur breite Unterstützung.

Das stimmt nicht ganz.

Ja gut, Alpenverein und Bund Naturschutz stellen bestimmte Forderungen, die man realisiert sehen möchte. Umweltverbände wissen natürlich, dass mit Olympia eine gewisse Medienpräsenz garantiert ist. Ich bewerte die kritischen Stimmen aber nicht über.

Ein nationales Projekt lässt sich nicht von der Politik verordnen. Im Herbst gab es in Garmisch eine Umfrage mit nur 57 Prozent Zustimmung. Da wendet sich das IOC mit Grausen ab. Die wollen mindestens 90 Prozent.

Wir selbst haben Umfragen vorliegen, die 75 Prozent Zustimmung signalisieren.

Was sind das denn für Umfragen?

Da sind sogar welche von Dritten dabei. Auch eine Umfrage von der Bewerbungsgesellschaft selbst, die durchgeführt werden musste, weil das vom IOC gefordert wurde. Beide lagen bei 75 Prozent. Und zu der Umfrage, die Sie zitieren, will ich sagen: Das ist die selbstgemachte Umfrage eines Olympiaskeptikers, die er mit seinen Studenten hat durchführen lassen im November, als noch die heftigsten Diskussionen in der Garmischer CSU liefen.

Hohe Zustimmungswerte hat man in Vancouver im vergleichbaren Zeitraum auch gehabt, dann nahmen die Werte kontinuierlich ab.

Das hatte mit der Wirtschaftskrise im Jahr 2009 zu tun. Da wurden einige Investitionen plötzlich kritisch gesehen. Das kann passieren, wenn sich die Budgetlage der Körperschaften, die zahlen müssen, erheblich verschlechtert.

Bisher haben Sie die kritischen Stimmen aus Garmisch, etwa den Verband der Weidebauern, die regionale CSU und den Bund Naturschutz, verbal abgewatscht und von „Windmaschinen“ beziehungsweise von einer „kleinen, radikalen Minderheit“ gesprochen. Sollten Sie nicht eher, auch um Bewerbungsdebakel wie bei Berlin und Leipzig zu vermeiden, den Dialog suchen?

Ja, selbstverständlich suchen wir den Dialog, dennoch muss ich darauf hinweisen, dass so manche Organisation, die hier im Namen der Menschheit auftritt, nur sehr wenige Mitglieder hat. Den Bund Naturschutz nehme ich freilich als kompetenten Partner sehr ernst. Ich weiß auch, wie umstritten bei Bund-Mitgliedern ein plakatives „Nein“ ist. Viele wünschen sich eine ökologische Ausgestaltung der Spiele, nicht deren Boykott.

Und die CSU?

Die Garmischer CSU kann ich nicht ernst nehmen. Ich wundere mich, dass die taz neuerdings ihr Schutzpatron ist, denn diese CSU hat ja jahrelang der Bewerbung zugestimmt. Und erst, als sämtliche Würfel gefallen waren, hat sie plötzlich die Skrupel entdeckt, um dem Bürgermeister, der aus der CSU ausgetreten ist, ein Bein zu stellen.

Vielleicht haben sich die bayerischen Olympiakritiker einfach mit der olympischen Geschichte vertraut gemacht. Da kann man feststellen, dass Olympische Spiele riesige Budgetlöcher reißen, Defizite, die dann vom Steuerzahler gefüllt werden. Auch Umweltzerstörung ist unvermeidlich, wenn das IOC anrückt.

Jede Olympiabewerbung muss auf den Prüfstand, es ist aber eine Tatsache, dass nirgendwo auf dem Globus weniger in die Bergwelt hinein betoniert werden muss als in München und Garmisch. Wir haben unter ökologischen Gesichtspunkten gravierende Vorteile gegenüber Annecy und Pyeongchang, weil ein Großteil der Infrastruktur bereits vorhanden ist.

■ Am Montagabend deutscher Zeit stellten sich in Vancouver alle drei Bewerber für die Winterspiele 2018 vor: Annecy, Pyeongchang und München. Die Bayern versuchten Werbung zu machen in Person von Katarina Witt, Innenminister Thomas de Maizière, Chefbewerber Willy Bogner und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, der in den Winterspielen „eine Vision für die Wiedergeburt Münchens“ sieht. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Bewerbungsgesellschaft GmbH. Nach dem PR-Termin stand er der taz für ein Gespräch zur Verfügung. (mv)

Sollten Sie der Bevölkerung nicht ganz schnell verraten, dass die Spiele satte 3,5 Milliarden Euro kosten würden und die sehr große Gefahr eines erheblichen Defizits besteht?

Die Münchner Bevölkerung hat ja olympische Erfahrungen. Sie weiß, dass die Stadt nach dem Krieg von nichts so profitiert hat wie von Olympischen Spielen. Die größte Investition in den Umweltschutz war der U-Bahn-Bau. München ist umweltfreundlich seit den Spielen von 1972. Das wird sich in diesem Ausmaß nicht wiederholen, da gebe ich Ihnen recht, Winterspiele haben eine kleinere Dimension.

Noch einmal: Bei den Kosten wird im Vorfeld der Spiele meist getrickst, ich nehme da nur die Ski-WM 2011 in Garmisch als Beispiel. Hier mussten noch einmal 630.000 Euro zusätzlich veranschlagt werden.

Es gibt häufig bei Großprojekten Kostenüberschreitungen, das ist richtig. Deswegen legen wir allergrößtes Augenmerk auf die Finanzen. Das können Sie mir glauben.

Sie beziehen sich gern auf den Münchner Bürgersinn, hätten Sie etwas dagegen, die Münchner in einer verbindlichen Volksbefragung entscheiden zu lassen, ob sie die Spiele wollen oder nicht?

Einen Bürgerentscheid gibt es nicht, weil ihn niemand beantragt hat. Kein Wunder, weil der Stadtrat fast einstimmig dafür ist. Nur die Linke war dagegen.