Für Spekulanten äußerst attraktiv

LEERVERKÄUFE Griechenland ist ein gutes oder vielmehr tragisches Beispiel dafür, dass die Finanzmärkte besser reguliert werden müssen

Vor allem Hedgefonds sind aggressiv in das Geschäft mit der Angst eingestiegen

BERLIN taz | Die griechische Tragödie ist nicht nur ein Gleichnis für Schlendrian, Großmannssucht und frisierte Statistiken. Sie ist auch ein Beispiel dafür, dass die Finanzmärkte besser reguliert werden müssen – und ein deutlicher Beleg, dass bislang trotz der Lehren aus der Krise wenig passiert ist. So klang es etwas hilflos, als Jean-Claude Juncker, der Vorsitzende der Euro-Finanzminister, am Montagabend Spekulanten vor Transaktionen warnte, die das Land weiter belasten. Wie er das genau verhindern will, erklärte er aber nicht.

Staaten in Zahlungsschwierigkeiten waren schon immer für Spekulanten attraktiv, die aus der Angst vor dem Bankrott Profit schlagen wollen. Im Fall Griechenland versuchen sie es außer mit Wetten auf einen fallenden Euro vor allem mit zwei Formen von Börsengeschäften: mit Spekulationen auf Spreads und mit dem Handel von Credit Default Swaps, kurz CDS. Bei beiden ist die Gefahr groß, dass sie ein kriselndes Land erst recht in den Ruin treiben.

Wie funktionieren sie? Bei Spread-Geschäften wettet man auf unterschiedliche Entwicklungen – beispielsweise darauf, dass die griechischen Anleihen stärker an Wert verlieren als die eines anderen Landes, etwa Deutschlands. Spekulanten machen sich das zunutze, indem sie griechische Anleihen leer verkaufen und das Geld in deutsche Anleihen investieren. Leer verkaufen heißt, dass sie die griechischen Anleihen selbst zunächst nur geliehen haben und erst später bezahlen – in der Erwartung, dass diese dann billiger geworden sind und sie damit die Differenz, abzüglich der Leihgebühren, einstreichen können. Das Problem: Die griechischen Anleihen geraten erst recht unter Druck. Zuletzt musste Griechenland den Käufern zehnjähriger Staatsanleihen mit mehr als 6 Prozent beispielsweise gut 3 Prozentpunkte mehr Rendite bieten als Deutschland. Das vergrößert die zukünftige Staatsschuld.

CDS-Geschäfte können diesen Effekt noch verstärken. Dabei sind sie eigentlich nichts anderes als Ausfallversicherungen, mit denen sich auch die Inhaber von Staatsanleihen gegen Wertverluste absichern können: Um bei größeren Zahlungsproblemen oder gar einem Staatsbankrott nicht mit leeren Händen dazustehen, zahlen sie eine Prämie, die umso höher ausfällt, je unsicherer die versicherte Anleihe ist. Die Höhe der Prämie gilt deshalb bei der Einschätzung der Kreditwürdigkeit eines Landes als wichtiges Signal – was wiederum Einfluss auf die Staatsanleihen hat: Explodieren die Kosten am CDS-Markt, verlangen die Investoren am Anleihen-Markt automatisch höhere Zinsen.

Das Hauptproblem ist, dass CDS unabhängig von den Anleihen gehandelt werden können, also im Fall Griechenland auch von Investoren, die gar keine griechischen Bonds besitzen. Ganz groß im Geschäft ist die Londoner Tochter der Deutschen Bank, die einen erheblichen Anteil an den Milliardengewinnen des deutschen Branchenprimus hat. Aber auch Hedgefonds sind nach Daten der französischen Bank BNP Paribas „aggressiv eingestiegen“. Es läuft so: Der Investor schließt einen CDS-Kontrakt ab. Im Herbst beispielsweise kostete die Prämie bei einem Fünfjahresvertrag auf griechische Staatsanleihen ein Prozent. Macht bei einer Anleihe von zehn Millionen US-Dollar also jährlich 100.000 US-Dollar. Derzeit liegt die Prämie bei 3,6 Prozent. Wenn der Investor den Kontrakt heute weiterverkauft, könnte er also in den nächsten fünf Jahren jährlich 360.000 Dollar bekommen, von denen er locker seine 500.000 Dollar Prämien zahlen kann – und verdient zusätzlich 1,3 Millionen Dollar.

Ökonomen wie Chris Whalen von Institutional Risk Analytics ärgert vor allem, dass ausgerechnet die Banken und Börsianer, deren Vermögen durch die staatlichen Hilfen gerettet wurden, nun gegen ihre Retter spekulieren. Sie fordern, CDS-Kontrakte zumindest für Investoren zu verbieten, die keine dazugehörigen Anleihen besitzen. BEATE WILLMS