Blühender Handel mit Visa

Mit fingierten Einladungen haben drei Unternehmer 800 Ukrainern die Einreise nach Deutschland ermöglicht. Das Landgericht verurteilte sie zu Bewährungsstrafen

Es ist ungemütlich kalt und dunkel im Saal 701 des Landgerichts. Thomas W. sitzt neben seinem Verteidiger und schaut zu Boden. Ihm gegenüber blicken Eugenij P. und Viktoria T. herausfordernd um sich, als der Staatsanwalt die Anklage vorträgt: Die drei sollen gewerbs- und bandenmäßig Menschen aus der Ukraine eingeschleust haben. Thomas W. schaut immer noch zu Boden, Eugenij P. und seine Frau Viktoria T. nicken.

Zwischen den Jahren 2000 und 2004 soll das Trio etwa 800 Einladungen ausgestellt haben, mit denen ukrainische Staatsbürger nach Deutschland einreisen konnten. Zwischen 110 und 1.000 US-Dollar verlangten sie dafür – pro Stück. Darauf stand, dass die Ukrainer im Namen ihres Busunternehmens für eine Geschäfts- oder Dienstreise eingeladen seien. Mit diesem Schreiben bekamen die Reisewilligen in der deutschen Botschaft in Kiew fast immer ein Touristenvisum. Aus welchem Grund die Menschen nach Deutschland wollten, blieb vor Gericht unklar.

Eugenij P. und Viktoria T. versuchen erst gar nicht, die Vorwürfe zu widerlegen. Keine Diskussion, keine Beteuerungen, alles sei wahr. Auch Thomas W. gibt alles zu. „Finanzielle Schwierigkeiten“ seien der Grund gewesen, sagt der 42-Jährige.

Trotz der vielen Fälle dauert der Prozess nur drei Stunden. Die Beweislage ist eindeutig, wegen der Mitarbeit der Angeklagten muss kein einziger Zeuge vor Gericht aussagen. Schließlich sprach auch das Gericht von einem minderschweren Fall: Denn auch dem Auswärtigen Amt sei ein Fehlverhalten vorzuwerfen. Gemeint ist der so genannte Vollmer-Erlass vom März 2000. Darin wurden Visa-Abteilungen im Ausland dazu angewiesen, bei der Erteilung von Einreiseerlaubnissen im Zweifel für die Reisefreiheit zu entscheiden. Diese Vorschrift führte insbesondere in der deutschen Botschaft in Kiew zu einem drastischen Anstieg der Visaanträge. Die Botschaft war überfordert, lediglich zwei Minuten Zeit blieben, um einen Antrag zu kontrollieren. Als das Berliner Außenministerium sogar erlaubte, dass die Ukrainer busladungsweise von deutschen Reiseunternehmen eingeladen werden durften, habe der Busunternehmer Eugenij. P. diesen Engpass genutzt, sagt der Richter.

Das Gericht verurteilt Eugenij. P. und Viktoria T. zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Thomas W. bekommt eine Bewährungsstrafe von zwölf Monaten. Weil bis jetztnicht geklärt werden kann, wie viel Geld das Ehepaar mit den Einladungen erwirtschaftet hat, beschlagnahmt das Gericht zudem einen „geschätzten Gewinn“ von 46.000 Euro.

Cigdem Akyol