Der junge wilde Wolfgang

„Mozart – Ich hätte München Ehre gemacht“ (20.15 Uhr, ARD) ist ein kluger Film über die Erlebnisse des Komponisten am Münchner Hof – auch wenn er dessen Geschäftssinn dezent übersieht

Von Niklaus Hablützel

Fast wäre München Mozarts Stadt geworden. Aber eben nur fast. An ihm selbst lag es nicht. Achtmal in seinem kurzen Leben reiste Wolfgang Amadeus dorthin, zwei seiner Opern sind dort uraufgeführt worden, man mochte seine Musik schon sehr, aber die Stelle, die er so gerne am Hofe des Kurfürsten gehabt hätte, die bekam er nicht. Zum 250. Geburtstag wollte der Bayerische Rundfunk gebührend an die bayerischen Episoden in der Biografie des Meisters erinnern, und Bernd Fischerauer ist es gelungen, aus dieser lokalpatriotischen Idee einen prachtvollen Historienfilm zu machen.

München war Provinz, gemessen an Wien oder Paris, aber von Salzburg aus betrachtet schon eine Reise wert. Wenn man Fischerauer glauben will, lag es vor allem an Figuren wie dem Grafen Seeau, Direktor des Hoftheaters unter dem Kurfürsten Maximilian III. Hans-Michael Rehberg spielt ihn als grapschenden Lüstling und Intriganten mit altersfaulen Zähnen. Meistens liegt er mit seinem Diener im Bett, was ihn aber nicht daran hindert, auch jene Aloysia Weber flachzulegen, die dem verehrten Mozart den Kopf verdreht hat. Genau das macht die Sache für einen wie Seeau ja erst interessant: Soll das Genie ruhig ein wenig leiden, das tut der Musik nur gut. So könnte das Sittengemälde einer vollkommen moralfreien Klasse am Vorabend der Französischen Revolution lustig weitergehen.

Aber den Mut dazu hatte der Regisseur dann doch nicht. Es geht um Mozart, die Ausnahme, die sich aus diesen Zeitumständen heraus offenbar nicht verstehen lässt. Warum eigentlich nicht? Die Zeit, in der Mozart im Bildungskanon die Rolle des unschuldigen Götterkindes eingenommen hat, sollte vorbei sein. Die biografischen Fakten zeigen einen überaus komplexen, keineswegs idealen Menschen. Aber Fischerauer will davon nichts wissen. Zwar ist auch bei ihm der ewig lächelnde Götterknabe außer Dienst, aber nun muss Mozart den jungen Wilden spielen. Von heiligem Feuer ergriffen, glaubt er an seine Musik, die er unbedingt der Welt schenken muss – nicht dieser Welt des korrupten Adels natürlich, sondern einer besseren, zukünftigen.

Xaver Hutter gibt sich große Mühe: Am liebsten ohne Perücke und glutäugig springt sein Mozart auch mal vom Billardtisch auf, um einen seiner genialen Einfälle zu notieren. Selbst Konstantin Wecker, der den Münchner Wirt Franz Albert ganz wunderbar spielt, kann da nur den Kopf schütteln. Wie aus diesen Tobsuchtsanfällen eines Wirtshausliteraten die formvollendeten Werke entstehen konnten, ist unbegreiflich.

Nun wissen Musiker gut genug, wie schwierig es ist, Mozarts Noten zu spielen. Den Menschen darzustellen, ist vielleicht ganz unmöglich. Trotzdem ist es schade, dass dieser sonst klug und ohne Fingerzeig inszenierte Film die Chance verspielt, Mozart realistischer zu zeigen: Er wusste sehr genau, was seine Kunst in Geld wert war. Darin war er absolut modern. Hutters schönen Wilden hätten sich die Münchner gefallen lassen. Aber als fest angestellter Hofmusiker war er ihnen schlicht zu teuer.