Zoff in der Troika

KRISE Der IWF räumt ungewöhnlich offen massive Fehler bei der Rettung Griechenlands ein – doch die EU-Kommission widerspricht

IWF und EU haben Athen zu harte Auflagen gemacht, dann zu spät umgesteuert

VON ERIC BONSE

BRÜSSEL taz | Beim ersten Hilfsprogramm für das von der Pleite bedrohte Griechenland ist so gut wie alles schiefgegangen. Dies hat – mit drei Jahren Verspätung – der Internationale Währungsfonds (IWF) in Washington eingeräumt. Man habe beim ersten Rettungspaket 2010 viele Fehler gemacht und „bedeutende Misserfolge“ einstecken müssen, geben die IWF-Experten zu. Vor allem der harte Sparkurs, zu dem Athen verdonnert wurde, sei falsch gewesen.

Die Regierung in Athen begrüßte das Einlenken. Es sei „sehr positiv, die Lehren aus unseren Fehlern zu ziehen“, sagte Finanzminister Giannis Stournaras. Ganz anders die Reaktion in Brüssel: Die EU-Kommission stritt jegliche Probleme ab.

„Falsch und unfundiert“ sei die Einschätzung aus Washington, sagte ein Sprecher der Kommission. Zwischen der Behörde und dem IWF – neben der Europäischen Zentralbank bilden sie die Troika der Euroretter – gebe es „grundlegende Meinungsverschiedenheiten“. So ignoriere der IWF die damalige Crash-Gefahr für den Euro – und den Umstand, dass es keine klaren Regeln gab. Tatsächlich betraten die Euroretter Neuland, als sie 2010 das erste Hilfsprogramm beschlossen. Der IWF war auf deutschen Wunsch ins Boot geholt worden, die Troika gab es noch nicht. Doch Berlin war es auch, das wie Brüssel auf Einhaltung der EU-Regeln bestand. Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) forderten nach monatelangem Zögern einen raschen Schuldenabbau. Um das Wachstum in Griechenland kümmerten sie sich ebenso wenig wie die EU-Kommission.

Genau das sei der entscheidende Fehler gewesen, kritisiert nun der IWF. Der Sparkurs sei zu hart gewesen, die Geberländer hätten die negativen Auswirkungen auf das Wachstum ignoriert. Folge: Zwischen den Prognosen zum Abbau des Schuldenbergs und der Realität klaffe eine „sehr große“ Lücke. Statt eines schon für 2012 erwarteten Wirtschaftswachstums sei „eine viel tiefere Rezession als erwartet“ mit „außergewöhnlich hoher Arbeitslosigkeit“ eingetreten. Kurz: IWF und EU haben Griechenland zuerst zu harte Auflagen gemacht, dann zu spät umgesteuert.

Das hat bis heute fatale Folgen. So stieg die Arbeitslosigkeit in Griechenland im März auf den neuen Negativrekord von 26,8 Prozent. Auch der Schuldenberg dürfte – trotz Milliardenhilfen und tiefer Einschnitte – weiter wachsen, räumte der für das Land zuständige IWF-Experte Poul Thomsen ein. Ziel sei es weiterhin, das Soll von über 170 Prozent der Wirtschaftskraft auf 110 Prozent im Jahr 2024 zu drücken.

Damit wäre der Defizit immer noch höher als zu Beginn der Krise. Der IWF hatte deshalb bereits im vergangenen Jahr einen weiteren Schuldenschnitt gefordert. Doch die EU lehnte ab, vor allem die Deutschen wehrten sich gegen neue Nachlässe.

Doch das Thema bleibt auf der Tagesordnung: Spätestens im April 2014, so Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem, wollen die Geber über weitere Hilfen sprechen. Der Zoff in der Troika geht also weiter.