portrait
: Lieblingsautor des Bundespräsidenten

An seinem leichten Gepäck hätte man ihn erkennen können oder an seinen schweren Schuhen. Vielleicht ist Ihnen in einer deutschen Stadt entlang der Grenze – in Emmerich oder Schwedt, in Passau oder Lörrach – ein Mann Mitte 50 aufgefallen, im Grunde gepflegt, aber gerade etwas mitgenommen wirkend, der sich neugierig umblickt, für alte Bauwerke genauso interessiert wie für die Bewohner und gelegentlich ein Notizbuch zückt?

Dann ist das möglicherweise Wolfgang Büscher gewesen, der Reporter und Buchautor, der nun ausdrücklich von Horst Köhler den Ludwig-Börne-Preis bekommt, samt 20.000 Euro Preisgeld. Dieser Preis hat eine Besonderheit: Jedes Jahr darf sich ein alleiniger Juror einen Preisträger aussuchen. Der Bundespräsident hat sich nun für Büscher entschieden, und wer dessen Buch „Deutschland, eine Reise“ gelesen hat, kann sich auch gut vorstellen, warum. Wolfgang Büscher ist die deutsche Grenze abgegangen, einmal um Deutschland herum, immer bereit, darüber zu staunen, wie wenig er von den Rändern des Landes, in dem er lebt, weiß; wie viele Geschichten sich in diesen oft provinziellen, manchmal verlorenen Landschaften erleben lassen.

Die deutsche Gegenwart wird man nach dem Buch anders sehen. Von Wegen aus der Bronzezeit, die heute noch sichtbar sind, schreibt Büscher. Er schreibt von alten Frauen, die über den Wald sprechen „wie über ein großes geheimes Glück“. Und über Ausflügler in Wismar, die sich über die schönen Kirchen in der Hansestadt wundern: „Manchmal kommen mir die Deutschen vor wie aus der Zeit gefallen und vorsichtig wieder hineingeführt. Wie ein Treck aus dem Nichts, etwas verwildert vor diesen etwas verwilderten Zeugnissen stehend: Das alles sollen einmal wir gewesen sein?“

Büscher ist ein Mann, der sich Erfahrungen erwandert. Für sein voriges Buch „Berlin–Moskau“ ist er von der deutschen zur russischen Hauptstadt zu Fuß gegangen, für sein erstes Buch „Drei Stunden Null“ lief er rund um Berlin. Vor allem die Reise rund um Deutschland ist aber zu einem so seltsam patriotischen Unternehmen geworden, dass es Bundespräsidenten gefallen muss. Aber nicht nur ihnen. Denn zu denken, Büscher habe sich auf die Suche nach seinen deutschen Wurzeln begeben oder würde sonstigem Identitätsquatsch anhängen, wäre ein Missverständnis – vor allem weil er im Zweifel seinem poetischen Ich folgt, nie einem deutschen Wir. Eher ist es ein Abschreiten des Hallraumes, der Deutschland ausmacht. Schön und passend wäre es, würde Büscher den Preis am 25. Juni in der Frankfurter Paulskirche in Wanderschuhen entgegennehmen. DIRK KNIPPHALS