Biobauern auf der Schattenseite

AUS HAMM GESA SCHÖLGENS

Der Staatssekretär bringt den Ökobauern schlechte Nachrichten. „Was die Finanzen betrifft, haben wir leider eine Verwaltung des Mangels“, sagt Alexander Schink. Statt bisher 300 Millionen Euro soll es für den Zeitraum von 2007 bis 2013 nur noch 270 Millionen aus EU-Mitteln geben. Und auch die Landesförderung werde zurückgefahren. 70 Mitglieder des Bioland-Landesverbandes hören ihm zu, einige mit grimmiger Mine. Sie haben sich zur Wintertagung auf Schloss Oberwerries in Hamm versammelt, um Gleichgesinnte zu treffen und sich auszutauschen. An diesem dritten Tag soll Schink mit ihnen über das Verhältnis der NRW-Landespolitik zum Ökolandbau und zur Gentechnik diskutieren.

Billige Massenprodukte

Doch zunächst einmal konfrontiert der Staatssekretär für Landwirtschaft die Bauern mit weiteren Einschnitten. „In diesem Jahr werden keine Umstellungsanträge von konventioneller zu ökologischer Landwirtschaft mehr bewilligt“, sagt Schink. Die Förderung der Umstellung werde ab 2007 auf das Niveau der anderen Bundesländer abgesenkt. In seinem zartgelben Anzug mit roter Krawatte und mit sorgfältig gestutztem Bart wirkt der CDUler etwas fremd zwischen all den Strickpullovern, gefütterten Daunenwesten und wild wuchernden Lockenköpfen. In den hinteren Reihen ist er nur schwer zu verstehen, hier und da klingeln Handys, einige Bauern müssen aufs Klo, andere packen schon ihre Sachen zusammen.

Schink verspricht, den Ökolandbau genauso wie den konventionellen Landbau zu behandeln. „Wir werden keinen der beiden Bereiche bevorzugen oder benachteiligen.“ Der Schutz von Tieren und Landschaften solle nicht unter den Tisch fallen. Jedoch müsse in Zeiten knapper Kassen auch die Finanzierung des Ökolandbaus zurückgefahren werden. Einige Fördermaßnahmen, etwa für vielfältige Fruchtfolgen, die Monokulturen verhindern sollen, fielen ganz weg. Schink bedauert diese Entwicklung. „Der Ökolandbau ist wegen der großen Marktnachfrage eine gute Einkommensquelle für viele Bauern.“

In den Reihen der Zuhörer wird es immer unruhiger. Ein hochgewachsener, kräftiger Ökobauer aus dem Sauerland steht auf und sagt: „Ich fühle mich in meiner Existenz in Frage gestellt.“ Er bewirtschafte seine Äcker nur im Nebenerwerb, lasse Naturwiesen brach liegen und leiste damit einen Beitrag zum Erhalt der Landschaft und somit für den Tourismus. „Wenn ich dann hören muss, dass die Skiarena im Sauerland millionenfach vom Land gefördert wird, habe ich das Gefühl, die Politik befindet sich in einer Schieflage“, sagt er aufgeregt. „Wenn die Regierung von mehr Wettbewerb statt von der Erhaltung der Landschaft spricht, dann ist das ein klarer Paradigmenwechsel!“ Auch sein Sitznachbar moniert, dass die Politik auf billige Massenprodukte setze, indem sie bei der Umstellung auf Ökolandbau spare. Das widerspreche aber der Marktlage, da Ökoprodukte immer stärker nachgefragt würden. „Es fand überhaupt kein Dialog mit uns statt“, beschwert er sich.

Schink versucht, die aufgebrachten Männer zu beschwichtigen. Man wolle die Förderung des vertraglichen Naturschutzes ja nicht total drücken, jedoch zumindest hinterfragen. „Mit wie viel Prozent – oder soll ich besser sagen ‚Promille‘, wollen Sie den Ökolandbau denn noch fördern?“, ruft ein rauschebärtiger Bauer im Strickpulli dazwischen. Schink blickt säuerlich, presst die Lippen zusammen: „Das ist ja wohl neben der Sache. Ich gehe doch ordentlich mit Ihnen um, dann kann ich das ja wohl auch umgekehrt von Ihnen erwarten! Das ist Unsinn und wird dem Ernst der Lage nicht gerecht“, sagt er in beleidigtem Tonfall. Er wolle auch nicht mit den Bauern über Gentechnik diskutieren: „Da habe ich meine Position.“ Der rauschebärtige Bauer grinst ein wenig schadenfroh und spielt mit den Ärmeln seines Pullovers.

Die Gentechnik ist ein ständiger Zankapfel zwischen Landwirten und schwarz-gelber Landesregierung. Die Biobauern sehen sich in ihrer Existenz besonders bedroht. Für sie würde eine Kontamination ihrer Felder mit gentechnisch veränderten Pollen das wirtschaftliche Aus bedeuten. In Borken und Greven bauen die Firmen Monsanto und Limagrain bereits im Auftrag des Bundessortenamtes Mais an, der resistenter gegen Schädlinge wie den Maiszünsler, eine Raupenart, sein soll. Laut Bund für Umwelt- und Naturschutz NRW (BUND) gibt es in Nordrhein-Westfalen derzeit zwar noch keinen kommerziellen Anbau, aber insgesamt 20 Freisetzungsflächen, auf denen genetisch verändertes Saat- und Pflanzgut für Zuckerrüben, Mais und Raps erprobt wird.

Verursacherprinzip

Mit der Umsetzung der EU-Freisetzungsrichtlinie könnte aber bald der großflächige Anbau möglich werden. Bis zum 19. Februar muss die Bundesregierung die Richtlinie umsetzen, sonst drohen Strafen von 800.000 Euro pro Tag. Das überarbeitete Gentechnikgesetz soll auch die Fragen zur Haftung klären. Darüber spricht auch Schink in seiner Rede. Derzeit könne der geschädigte, gentechnikfrei wirtschaftende Landwirt seinen Gentechnik anbauenden Nachbarn verklagen, um eine Entschädigung für die verunreinigte Ernte zu bekommen. „Wir wollen statt dessen einen Haftungsfonds, der die Bauern entschädigen soll und von der Wirtschaft getragen wird. Einzahlen sollen die industriellen Saatguthersteller, aber auch andere sind denkbar“, sagt Schink. Von Zahlungen ausgenommen bleibe der Steuerzahler. Alternativ dazu soll es eine gesamtschuldnerische Haftung geben, bei der alle Genbauern gemeinsam haften oder überlegen, wer den Schaden verursacht hat.

Die Bauern kritisieren die Idee. „Wie soll man den Fonds an die Praxis koppeln?“ fragt Bioland-Geschäftsführer Heinz-Josef Thuneke. Die Ökolandwirte hätten so Schwierigkeiten, ihren Schaden ersetzt zu bekommen. Dabei sei der mögliche Imageschaden für sie besonders schlimm. Ihre Produkte müssten regelmäßig auf Spuren von genetisch verändertem Material untersucht werden, die teuren Analysekosten müssten sie selbst tragen. „Wir fordern, dass das Verursacherprinzip bestehen bleibt“, sagt auch Ralf Bilke vom BUND. Landwirte, die gentechnisch veränderte Sorten anbauten, müssten auch für wirtschaftliche Schäden haften. Bislang weigerten sich die Versicherungen, für Schäden zu haften. Das Risiko sei in ihren Augen nicht kalkulierbar. Auch der Landwirtschaftsverband rät den Bauern deswegen davon ab, gentechnisch veränderte Sorten anzubauen.

Willi Bolten befürchtet Resistenzen der Schädlinge gegen den Genmais. „Die Euphorie sollte Nachdenklichkeit Platz machen“, sagt der blonde Biobauer ernst. Im Rheinland sei das Raupenproblem ohnehin sehr selten. „Wir setzen meist auf Selbstregulierung“, sagt Bolten. Die Bauern seien nicht fortschrittsfeindlich, „aber so ein gigantisches Experiment geht früher oder später ins Auge. Das ist russisches Roulette mit der Evolution.“

Zum Abschied versöhnt sich Schink mit den Ökobauern. Ein Bioland-Mitglied schlägt vor, sich bald gemeinsam an einen Tisch zu setzen und im Dialog zu bleiben. Schink nimmt die Einladung freundlich an, bevor er sich auf den Weg zum nächsten Termin macht. „Von einer Gleichstellung mit der konventionellen Landwirtschaft kann bei dieser inhaltlichen Schwerpunktsetzung überhaupt nicht die Rede sein“, resümiert Heinz-Josef Thuneke. Gut sei aber, dass nun eine realistische Stimmung bei den Ökobauern herrsche. „Es ist für uns wichtig zu begreifen: Was unsere Themen angeht, sitzen wir in der Opposition“, so Thuneke.