BETTINA GAUSPOLITIK VON OBEN
: Der Igel-Effekt

Wehe dem, der sich auf einen Niedergang der FDP freut! Kaum scheint sie weg zu sein, lacht sie einem entgegen

Ich verderbe Leuten ungern die Freude, deshalb spreche ich nur selten über den Absturz der FDP in Meinungsumfragen. Wäre ich weniger rücksichtsvoll, müsste ich erzählen, dass ich in den letzten fünfzehn Jahren mehrfach das endgültige Ende dieser Partei vorhergesagt habe. Jedes Mal war ich davon überzeugt, jedes Mal habe ich das gut begründet, jedes Mal die Analyse veröffentlicht. Und jedes Mal habe ich mich geirrt.

Inzwischen glaube ich nicht mehr daran, dass die FDP in der überschaubaren Zukunft je ums Überleben wird kämpfen müssen. Gut möglich, dass sie bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen ein katastrophales Ergebnis bekommt. Vielleicht fliegt sie danach noch aus der ein oder anderen Regierung. Und dann – gerade dann! – wird sie wieder da sein. „Ick bün all dor“, rufen der Igel und seine Frau im Märchen wieder und wieder dem erschöpften Hasen beim Wettrennen zu. Bis der schließlich stirbt.

Ein so grässliches Schicksal wie dem Hasen droht den anderen Bundestagsparteien nicht. Sie werden überleben. Der Wunsch, bei den ersten Hochrechnungen feststellen zu dürfen, dass alle Parteien verloren haben, ist nämlich unerfüllbar – so verständlich er auch ist. Irgendjemand gewinnt Wahlen immer.

Aber in Zeiten, in denen die Wut auf „die Politiker“ oder, noch populistischer, „die da oben“ wächst, hat es jede Partei schwer, sobald sie an die Macht kommt. Die FDP behauptete im Wahlkampf, alles anders machen zu können als die blöden Regierenden. Angesichts der verbreiteten Politikverdrossenheit ist ihr Wahlerfolg wenig erstaunlich – und noch weniger überrascht, dass ein substanzieller Teil der Wähler sie nun zum Teufel wünscht. Sie regiert ja. Da kann sie nicht gleichzeitig die kommode Rolle der Opposition übernehmen, mag ihr Vorsitzender die Backen noch so aufblasen.

Vielleicht besteht das Elend der SPD und auch das der CSU einfach darin, dass es keine Möglichkeit gibt, sie langfristig von der Macht zu entfernen. Was müsste passieren, damit in Bayern eine Regierung gegen die CSU gebildet werden könnte? Es sprengt das Vorstellungsvermögen. Und die SPD ist derzeit die einzige Partei, die – zumindest theoretisch – mit jeder anderen koalieren könnte. Vermutlich ist das der Beweis, dass sie tatsächlich dort ist, wo Gerhard Schröder sie gerne haben wollte: in der Mitte. Aber warum bloß wollen so viele da so gerne sein? Sexy ist die Mitte doch offenbar nicht.

Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz Foto: A. Losier