FELIX LEE POLITIK VON UNTEN
: Attacs parlamentarischer Arm

Das neu gegründete Institut für eine solidarische Moderne ist bereits jetzt eine Errungenschaft

Bist vor kurzem habe ich noch gedacht: Mit Sven Giegolds Abgang von Attac und seinem Einzug für die Grünen ins Europaparlament wird Deutschlands einst prominentester Globalisierungskritiker ganz sicher von der Maschinerie in Straßburg geschluckt. Allzu viel wie zu seinen Zeiten als Attac-Vordenker wird von ihm erst mal nicht mehr zu hören sein. Doch ich habe mich getäuscht. Wieder hat Giegold was angestoßen. Er ist einer der Hauptinitiatoren des Ende Januar gegründeten Instituts für solidarische Moderne. Und noch etwas fällt bei diesem neuen linken Thinktank auf: Ganz schön viel davon ähnelt Attac.

Das hängt nicht zuletzt mit der Zusammensetzung der Mitglieder zusammen, darunter Attac-Größen wie der globalisierungskritische Politologe Elmar Altvater, Bewegungsaktivist Thomas Seibert oder die ehemalige Geschäftsführerin des globalisierungskritischen Netzwerks, Sabine Leidig, die nun für die Linkspartei im Bundestag sitzt.

Auch vom Grundverständnis erinnert vieles an Attac. Offiziell als Institut angelegt, sieht sich die Initiative als ein Bindeglied zwischen Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Attacs legendären Sommerakademien abgekupfert: Als erstes großes Projekt will das Institut Solidarische Moderne eine politische „Summer Factory“ abhalten.

Einen gravierenden Unterschied gibt es jedoch: die Öffnung zu Parteien. Dies mag auf den ersten Blick auch nicht überraschen. Jetzt, wo einige Attac-Köpfe zur Linkspartei und zu den Grünen weitergewandert sind, scheint es nur logisch, dass sie ihre politischen Wurzeln zumindest nicht gleich über den Haufen werfen und auch als Parlamentarier weiter die Nähe zu Bewegungen suchen.

Viel interessanter: Auch viele Außerparlamentarier machen mit. Nach den bösen Erfahrungen mit den einst bewegungsnahen Grünen galt in der außerparlamentarischen Linken das Credo: Parteipolitik und Bewegungsaktivismus sind unvereinbar. Bis heute schließt Attac die Mitgliedschaft von Parteien aus, während jede noch so institutionalisierte NGO beitreten darf.

Was das neue Institut tatsächlich bewirken wird, muss sich noch zeigen. Aber allein die Erkenntnis, dass politischer Wandel vor allem im engen Zusammenspiel von Parlamentariern und Bewegungsaktivisten gelingt, sehe ich als Fortschritt zur bislang in Bewegungen verbreiteten Parteienskepsis.

Der Autor ist taz-Redakteur für soziale Bewegungen Foto: W. Borrs