Jukebox

Die Orgel tut nicht Not in der Kirche des Rock‘n‘Roll

Das Instrument der Rockmusik ist die Gitarre. Und noch eine. Einer muss Bass spielen. Der Depp darf sich am Schlagzeug austoben. Schon hat man die Band. Klassisches Modell. Ewiges Modell.

Aber halt kein Grundgesetz, das mit der Gitarre, sondern wieder mal so eine gesellschaftsgeschichtliche Prägung. Und wie bei allen Fragen, die ins Grundsätzliche gehen, muss man zurück zur Schöpfung, als da unter dem Baum drei Menschen standen, und das waren Elvis Presley (der für die weitere Geschichte hier, da alles andere als ein ausgewiesener Instrumentalist, ganz ohne Belang ist), und Chuck Berry und Jerry Lee Lewis. Wobei Lewis eigentlich saß. An seinem Klavier hämmerte er den Rock‘n‘Roll auch mit seinen Hacken in die Tasten, während Berry an seiner Gitarre im Entengang über die Bühne watschelte. Und beides war schrill und hätte sich so bestens zum Vorbild für all die kleinen Rabauken eignen können. Die weitere Geschichte aber kennt man ja.

Wobei die Vorteile der Gitarre auf der Hand liegen. Sie trägt sich lässig, man kann damit herumlaufen, nicht zu vergessen der Ausfallschritt. Am wichtigsten aber, meine ich, ist ihr bildungsfernerer Hintergrund. Denn für den ordentlichen Krach sind sonderliche Vorkenntnisse an ihr nicht nötig, und das ist der wesentliche Unterschied zur Orgel und den sonstigen Keyboards, die immer nach klassischer Schulung schmecken. Die aber kriegt man nie ganz los.

Dass Deep Purple zum Beispiel das „Concerto for Group and Orchestra“ einspielte, war allein Jon Lord geschuldet. Dem Orgler der Band. Klassisch ausgebildet. Dass die Band danach den Hardrock erfand, heißt gar nichts. Denn der ist nur schlecht sublimierte Bildungsbeflissenheit und damit der Bruder von Artrock. Hier wie da Orgeln an der Front: Rick Wakeman, Keith Emerson. Ken Hensley bei Uriah Heep. Jimi Hendrix war mausetot, und kurz galten beim Einzug in die Siebziger die Keyboards als Leithammelinstrument im Rock. Es war nicht seine beste Zeit.

Am Montag spielen Deep Purple (mit Alice Cooper) in der Max-Schmeling-Halle. Ohne Jon Lord. Und ohne Ritchie Blackmore. Schon noch aber mit dem Rest-Original Ian Paice.

Orgel ist aber was Großes. Wenn sie Freddy Fischer spielt. Der Meister des Jazzrock-Schlagers. Am Sonntag besingt er in den Sophiensaelen (23 Uhr) die „drei Grundsäulen der menschlichen Existenz: Liebe, Schmerz , Disco und Tanzengehen.“ Auf Deutsch. Kunstbeflissen. Großer Spaß. THOMAS MAUCH