Suche nach einer „extrem kundigen Person“

KLIMA Dem Abgang des obersten UN-Klimadiplomaten Yvo de Boer folgt die Suche nach einem Nachfolger. Mit einem von allen Seiten akzeptierten Kandidaten steht und fällt der Erfolg der nächsten Konferenz

BERLIN taz | Zwischen Ratlosigkeit und Resignation: So könnte man die Reaktionen auf den Rücktritt Yvo de Boers beschreiben. Der Chef des Weltklimasekretariats hatte am Donnerstag bekanntgegeben, zum 1. Juli in die Wirtschaft zu wechseln. Nach der Kritik am Weltklimarat IPCC – dem wissenschaftlichen Beratergremium der UN – hat nun auch die Schaltzentrale der Klimadiplomatie ein Problem.

Im Klimasekretariat in Bonn sei der Rückzug zu diesem Zeitpunkt mit großer Überraschung aufgenommen worden, berichteten Mitarbeiter. Aus dem Kreis der deutschen Klimadiplomatie hieß es hingegen, de Boers Posten wäre ohnehin im September neu zu besetzen gewesen. Er habe sich in „ausgezeichneter Art und Weise für den Erfolg der internationalen Klimaschutzverhandlungen eingesetzt“, seine persönliche Entscheidung sei zu respektieren. Im Übrigen sei de Boer nicht der Einzige im Gefüge der Klimadiplomatie, der Kopenhagen als Gelegenheit nutzt, sich persönlich neu zu orientieren.

Einen Nachfolger zu finden, „wird eine große Herausforderung werden“, urteilt Klaus Milke, Klimadiplomatie-Experte bei der Nord-Süd-Organisation Germanwatch. In jedem Falle müsse eine „sehr kundige Person gefunden werden, die mit dem komplexen UN-Prozess vertraut ist“. Was passiert, wenn unkundige Leute dem Prozess vorstehen, habe der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen in Kopenhagen gezeigt, der mit seiner Ungeduld viel Porzellan zerbrochen hatte.

Formal bestimmt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon seinen für die Klimadiplomatie zuständigen Exekutivdirektor allein. Allerdings sei dies ein „extrem politischer Prozess“, wie es heißt: Ohne Zustimmung aus den jeweiligen Lagern würde bereits an der Personalie entschieden, ob die nächste Klimakonferenz in Mexiko noch eine Chance habe. Deshalb dürfe es auf keinen Fall ein Vertreter der Industriestaaten sein, heißt es im Klimasekretariat.

Im Gespräch ist etwa John Ashe. Der Diplomat aus dem karibischen Inselstaat Antigua hat in Kopenhagen die Kioto-Arbeitsgruppe (MOP) geleitet hat. Gegen ihn spricht, dass er an einer Fortführung des Kioto-Protokolls arbeitet – während die USA, die dies ablehnen, stattdessen auf ein neues Nachfolgeabkommen drängen. Ebenfalls als Kandidat gehandelt wird der maltesische Diplomat Michael Zammit Cutajar, in Kopenhagen Präsident der Arbeitsgruppe unter der Klimarahmenkonvention (COP). Er leitete das Klimasekretariat bereits von 1991 bis 2002.

NICK REIMER

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