„Hochfliegende Erwartung“

FINANZBLASE Der Ökonom Thomas Fricke liest aus seinem Buch „Wie viel Bank braucht der Mensch?“

■ 48, bis 2012 Chefökonom der Financial Times Deutschland, betreibt das „WirtschaftsWunder“-Blog.

taz: Wie viel Bank braucht der Mensch denn nun, Herr Fricke?

Thomas Fricke: Der Mensch braucht sehr viel weniger Bank, als wir uns das in den letzten 30 Jahren angewöhnen haben lassen. Die Vermutung hinter meinem Buch ist, dass wir besser gefahren wären, wenn wir die sehr begrenzte Bankenlandschaft der Nachkriegsjahrzehnte beibehalten hätten.

Müssen die Banken und ihre Kunden von den hohen Renditeerwartungen abrücken?

Das ist zum Teil eine Forderung, zum Teil aber auch eine Feststellung. Es hat sehr hochfliegende Erwartungshaltungen unter Finanz-Akteuren und Anlegern gegeben, die sich scheinbar daran gewöhnen konnten, Renditen von fünf bis zehn Prozent zu erreichen. Diese Blase ist geplatzt, weil die Finanzmärkte, die die Realwirtschaft spiegeln sollen, nicht auf Dauer deutlich stärker wachsen können als die Realwirtschaft selbst.

Werden die neuen alten Banken, die Sie im Blick haben, von selbst entstehen?

Man braucht mit Sicherheit zusätzliche Maßnahmen. Ein Teil ist durch das Gesundschrumpfen schon auf dem Weg. Aber es geht darum, den gesamten Finanzsektor in seinem Volumen zu begrenzen – zum Beispiel den Devisenmarkt, wo jeden Tag vier Billionen Dollar hin und her geschoben werden, was für den Kunden keinen messbaren Mehrwert hat. Die Finanzmarkttransaktionssteuer wird auf einen Schlag einen Großteil dieses Handels ineffizient machen.

Es gibt bereits jetzt Banken, die bewusst in überschaubaren Dimensionen wirtschaften, etwa die GLS. Warum rennt man denen nicht die Tür ein?

Bislang herrscht noch der Glaube, dass man mit Anlagen mehr erzielen kann. Das kann man auch nicht demjenigen vorwerfen, der mit seinem Ersparten möglichst viel erwirtschaften will. Insofern würde ich eher am Gesamtsystem etwas ändern.

In jedem anderen Bereich heißt es: Der Verbraucher hat die Macht, etwas zu verändern. Warum nicht im Banksektor?

Ich stehe da ein wenig in Demut angesichts der Größe des Bankensektors. Ich glaube, dass da der durchschnittliche Verbraucher relativ wenig Macht hat. So gut es ist, dass der Verbraucher einen Beitrag leistet, indem er keine Rohstoff-Fonds kauft, in dem mit Lebensmitteln spekuliert wird – das System braucht Regulierungen von oben. INTERVIEW: GRÄ

Lesung „Wie viel Bank braucht der Mensch?“: 18 Uhr, Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft, Neuer Jungfernstieg 21, Raum 519