Triumph des Zweiflers

TENNIS Rafael Nadal schreibt mit seinem achten Sieg in Paris Geschichte. Jetzt schont er erst einmal sein lädiertes Knie. Erholung ist seine einzige Vorbereitung auf Wimbledon

„Menschen, die nie zweifeln, sind arrogant. Ich hab einfach so hart gearbeitet, wie ich konnte, um zurückkehren zu können“

RAFAEL NADAL

AUS PARIS DORIS HENKEL

Bevor er zurück auf seine Insel flog, musste er noch ein halbes Stündchen in Disneyland posieren. Jedes Jahr wird der Sieger der French Open an einen anderen pittoresken Platz geschleppt, um dort für die offiziellen Fotos mit Pokal im Arm zu lächeln. Das Motiv Eiffelturm kann man nicht jedes Jahr nehmen, auch der Arc de Triomphe war erst dran – also drehte Rafael Nadal diesmal noch eine kleine Schleife auf dem Weg nach Manacor. Aber in den nächsten Tagen steht dann nur noch eins auf dem Programm: erholen, das strapazierte linke Knie pflegen und wieder zu Kräften kommen. Mit der achten kleinen Replica des Coupe des Mousquetaires im Regal, den Elogen der Tenniswelt in den Ohren und einem tiefen Gefühl der Dankbarkeit, dass er wieder spielen und gewinnen kann.

Es hatte zwischen Juli 2012 und Januar 2013 viele Momente gegeben, in denen er sich mit Bangen gefragt hatte, ob er wieder auf den Tennisplatz zurückkehren würde. „Natürlich hatte ich Zweifel“, gestand er nach dem historischen Sieg im Stade Roland Garros. „Aber Menschen, die nie zweifeln, sind arrogant. Ich hab einfach so hart gearbeitet, wie ich konnte, um zurückzukehren zu können.“

Nach dem Sieg im aufregendsten Spiel des Turniers im Halbfinale gegen Novak Djokovic musste er zwar auch gegen seinen Freund David Ferrer ein paar knifflige Momente überstehen, aber irgendwie hatte man immer das Gefühl, diese Partie könne er nicht verlieren. Nie zuvor in der Geschichte des Tennis gehörten der Name eines Spielers und das Turnier enger zusammen als Rafael Nadal und Roland Garros. Um das zu begreifen genügt ein Blick auf jene Männer, nach denen der Pokal benannt ist: die berühmten Musketiere, Helden des französischen Tennis in den zwanziger Jahren. Nadal allein steht jetzt ebenso oft in der Siegerliste wie drei der vier Musketiere zusammen; Henri Cochet gewann vier, René Lacoste drei und Jean Borotra einen Titel – macht acht.

Es gehört zu den Kuriositäten dieser Tage, dass der Sieger trotz des Erfolgs in Paris und trotz der phänomenalen Bilanz seit seiner Rückkehr (sieben Titeln bei neun Turnieren) in der Weltrangliste wieder hinter Ferrer auf Platz fünf zurückgefallen ist. Was daran liegt, dass Nadal als Titelverteidiger nur seine Punkte verteidigen, aber keine weiteren gewinnen konnte, Ferrer als Halbfinalist des vergangenen Jahres hingegen schon. Der meinte hinterher sichtlich belustigt: „Ich wäre lieber Nummer fünf geblieben, wenn ich dafür den Titel gewonnen hätte.“

Wobei diese Nummer fünf demnächst in Wimbledon eine gewisse Rolle spielen könnte, wenn es um die Setzliste geht. Das dafür zuständige Komitee des All England Club benutzt eine Formel, in der auch die Erfolge in Wimbledon berücksichtigt werden, und da Nadal im vergangenen Jahr im letzten Spiel vor seiner langen Pause in der zweiten Runde gegen den Tschechen Lukas Rosol ausgeschieden war, wird er wohl nur als Nummer fünf ins Rennen gehen.

Aber erst mal muss er sich erholen. Seine Ärzte haben ihm geraten, sich zu schonen und auf den geplanten Start beim Turnier in Halle in dieser Woche zu verzichten. Natürlich macht er sich Gedanken, wie sich diese andere Art der Vorbereitung auf seine Verfassung in Wimbledon auswirken wird. „Ich hab immer ein Turnier auf Rasen vor Wimbledon gespielt. Das ist ja deshalb eines der schwierigsten Turniere des Jahres, weil die Bedingungen gegenüber allen anderen so unterschiedlich sind. Ich werde auf jeden Fall versuchen, in guter Form in Wimbledon anzukommen. Zum Glück bin ich jetzt in der Lage, die Dinge ein bisschen entspannter angehen zu können. Alles ist viel besser gelaufen, als ich gedacht hatte.“

Beim Gewinn seines ersten Grand-Slam-Titels vor acht Jahren in Paris hatte er in dreiviertellangen Hosen, ärmellosem Hemd und mit seinen langen Haaren wie ein Pirat ausgesehen; auf den Bildern von damals sieht er unglaublich jung aus. Hosen und Haare sind mittlerweile deutlich kürzer, die Farben gedeckter; auf dem Weg zum achten Titel sah er so elegant aus wie nie zuvor. Und was wird beim nächsten großen Titel sein? Aber genau diese Frage darf man wohl nicht stellen. Im Moment geht es seinem Knie vergleichsweise gut, aber es gibt keinerlei Garantie, dass das so bleiben wird.