DIE WERBEPAUSE: Die Oper am Hermsdorfer Kreuz
Vor einem nachtblauen Himmel thront die Oper von Sydney mit all ihren Segeln und macht Werbung – für ein deutsches Bundesland. „Das ist Thüringen“, steht in großen Lettern dort, wo eigentlich „This is Sydney“ stehen müsste. Das „grüne Herz Deutschlands“ schmückt sich in einer Anzeigenkampagne mit fremden Federn, mit ikonischer Architektur und Meerblick. Mit Dingen, die man in Thüringen lange sucht.
Völlig banane sind die Werber aber nicht – nur ganz ordentlich dummdreist. Denn es gibt diese winzige Schnittmenge, die Thüringen und Sydney verbindet: Eine Erfurter Firma namens Iosono hat das Opernhaus auf der südlichen Hemisphere mit einer 3-D-Klanganlage ausgerüstet. Das große Orchester kann jetzt, weil es nicht – und so viel zur Architektur von Weltrang – in den zu kleinen Orchestergraben passt, im Raum nebenan vor Mikrofonen spielen. Und die Gäste im Saal hören trotz nun vorhandener Mittelbarkeit keinen Unterschied. Diese Techniklieferung wird dann bis zur Lächerlichkeit aufgeblasen, bis die Oper von Sydney bis zum Hermsdorfer Kreuz reicht.
Die Thüringer Werbefachleute scheinen mit dem Vorhandenen nicht zufrieden zu sein – mit der eigenen Kragenweite, mit der Wartburg in Eisenach oder dem Deutschen Nationaltheater in Weimar.
Bei dem ganzen Hochglanzbombast fragt sich, was aus der bodenständigen „Aus Thüringen kommt mehr, als du denkst“-Kampagne geworden ist? Die ist die Sache richtig angegangen. Erst sagen, dass man Würstchen kann, dann ergänzen, dass einem auch Technik liegt – bebildert mit Comiczeichnungen. Eingestampft? Warum? Vielleicht weil die Antifa sich die Kampagne zu eigen machte und darauf hinwies, dass nicht nur Würstchen aus Thüringen kommen, sondern auch der NSU.
CHRISTIAN FLEIGE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen