IM STUDIO
: Der Eber grunzt

Hinten im Kraftbereich, wo der Eber trainiert, ist es voller

Rechts hinter mir, an der Spiegelwand, steht einer und grunzt wie ein Eber. Örrrb, macht er, örrrrb. Er zieht dabei an einem Seil, vermutlich tonnenschwere Gewichte, und begafft sein Spiegelbild. Der Mann ist eine Karikatur, ein Fitnessnarziss. Sein Körper verjüngt sich nach unten, die aufgepumpten Oberarme glänzen wie iberische Schinken. Mir egal. Ööööörrrrrb. Na ja, nicht ganz.

Das einzige Gerät, das ich im Studio ausgiebig nutze, ist der Crosstrainer. Auf dem kann man sich mit geschlossenen Augen quälen, ohne runterzufallen. Musik in den Ohren hilft, diese Vorhölle voll keuchender Menschen auszublenden. Aber heute habe ich die Kopfhörer vergessen. Ööööörrrrbbb. Ekelhafter Testosteronprotz. Die beiden Frauen auf den Laufbändern vor mir denken sich sicher ihren Teil.

Es ist schon etwas später heute, viele sind nicht mehr da, jedenfalls nicht im Ausdauerbereich. Hinten im Kraftbereich, wo der Eber trainiert, ist es voller, da klirrt und rumpelt es. Über den Monitor vor mir laufen die üblichen Clips: Skater, die Kunststücke auf Treppengeländern machen. Skater, die Kunststücke auf Treppengeländern versuchen und abstürzen. Dann Tom und Jerry. Dann Männer, die mit Fallschirmen von Hochhäusern hüpfen. Örrb, örrb. Du Sau.

Micha verabschiedet sich von den beiden Frauen. Micha ist der Studioleiter, er ist sehr klein und freundlich. Große Muskelpakete hat er auch nicht, aber ich stelle mir vor, dass er irgendeinen schwarzen Gürtel besitzt. Im Grunde erinnert er mich an diesen Cartoon, der ein winziges Küken zeigt und einen auf das Küken gerichteten Pfeil, und über dem Pfeil steht „Kann Karate“. Micha ist okay.

Öööööörrrrbbb. Jetzt reicht’s. Scheint auch eine der Frauen zu finden. Sie steigt vom Band und geht rüber zu dem Typ. Ich gucke, aus den Augenwinkeln, damit es nicht so auffällt. Sie reden ein paar Sätze. Dann küssen sie sich. CLAUDIUS PRÖSSER