BERLINALE
: Kenn i ned

Keine Schrotflinte mehr hinterm Tresen

Ständig läuft man irgendwelchen Prominenten aus der Filmfestspielbranche über den Weg. Die müssen ja auch mal in eine Kneipe gehen, wenn gerade nichts von ihnen selber im Kino läuft. Ich allerdings würde nicht mal Brad Pitt erkennen, weil er vermutlich in Wirklichkeit nur 1.60 groß ist. Denke ich mal. Ich sitze also im „Florian“ neben einem berühmten spanischen Regisseur und seiner Geliebten, wie mir Jürgen zuflüstert, der aber gar nicht flüstern müsste, weil der spanische Regisseur sich mit seiner spanischen Geliebten spanisch unterhält.

Das „Florian“ ist auch nicht mehr das, was es einmal war, nämlich eine „Negerkneipe“ aus dem Film „Farewell my lovely“, in der der frisch aus dem Knast entlassene Gangster Moose Malloy den Besitzer umbringt, weil der ihm dumm kommt. Eine wunderbare Filmbar in L. A., in der ich gerne mal sitzen würde, schließlich sind doch gerade Filmfestspiele. Stattdessen ist es laut, und der Barmann hinter dem Tresen hat keine abgesägte Schrotflinte mehr. Deshalb gehe ich lieber ins „Einstein“, aber dort werde ich vom Chefbediener darauf hingewiesen, dass das Café gleich schließt, weil es dann Filmfestspiele hat, was sich anhört wie eine Krankheit. Ich setze mich auf einen Beobachtungsposten, kann aber niemanden erkennen, nur wenn jemand nicht ganz so schluffig wie der Durchschnittsberliner daherkommt, ahne ich: ah, ein Filmfestspieler.

Ich frage einen Pinguin, wer denn heute alles so auftaucht. „No, dös san mehr so Leit aus der Filmbroosche.“ „Prad Pitt?“ frage ich. „Wissens, i kenn die olle gor ned. Ober die Hollywud-Schauspieler kumma bloßner a holbe Stund, dann gengas wieder. Gestern worn die Esterreicher do.“ „Hader?“ „Kenn i ned.“ Warum auch, aber dass ich wegen der Filmfestspieler auf mein sonntägliches Wiener Schnitzel verzichten muss, nimmt mich nicht gerade für sie ein.

KLAUS BITTERMANN