Kahle besetzen Stadt

Die extreme Rechte setzt sich in Dortmund fest. Drei Aufmärsche innerhalb einer Woche sorgen für Unruhe. Noch sieht die Stadt allerdings keine Anzeichen für eine neue Strategie der Neonazis

VON HOLGER PAULER

Die Stadt Dortmund entwickelt sich zum Zentrum der extremen Rechten in Nordrhein-Westfalen. Für gestern Abend und heute wurden von der „Freien Kameradschaft Dortmund“ zwei Aufmärsche unter dem Motto angekündigt: „Kapitalismus bekämpfen – für einen sozialistischen Nationalismus“. Die Neonazis setzen damit ihre am vergangenen Wochenende begonnene Serie von Aufmärschen in der Westfalenmetropole fort. An der Demonstration waren insgesamt rund 250 Rechte und 1.500 Gegendemonstranten beteiligt. Am Rande des Aufmarsches kam es zu Festnahmen (taz berichtete).

„Dortmund ist unsere Stadt“, bekannte der vorbestrafte Anführer der „Kameradschaft Dortmund“ und ehemalige Chef der verbotenen Neonazi-Partei FAP, Siegfried „SS-Sigi“ Borchardt. Obwohl sich ein breites Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften, Parteien, Künstlern und Bildungsträgern den Neonazis entgegenstellte, zeigen sie weiterhin Präsenz in der Stadt. „Die Nazis haben die deutliche Abfuhr vom letzten Wochenende offensichtlich noch nicht begriffen“, sagte Eberhard Weber vom DGB Östliches Ruhrgebiet und Mitglied des „Arbeitskreises Dortmund gegen Rechtsextremismus“.

„Wir haben die Sache unter Kontrolle“, sagte der Dortmunder Rechtsdezernent Wilhelm Steitz zur taz. Die Szene sei unter permanenter Aufsicht. Die „Kameraden“ haben sich vor allem in der Nordstadt eingerichtet. Im Szene-Laden „Donnerschlag“ werden einschlägige Kleidung und Souvenirs verkauft, mehrere Kneipen gelten als Treffpunkte der Rechten. Im „Donnerschlag“ beschlagnahme die Stadtverwaltung regelmäßig Ware, so Steitz, „auch auf die Gefahr hin, dass wir uns im rechtlichen Grenzbereich bewegen“. Bei den Kneipen sei allerdings nichts zu machen, da der Aufenthalt alleine nicht strafbar sei, so Steitz. Dennoch glaubt er nicht, dass Dortmund eine Hochburg der Neonazis sei. „Das Vorurteil stammt doch noch aus vergangenen Zeiten.“ In den 1980er Jahren hatte der Landesverband der FAP seinen Sitz in der Stadt, die rechtsradikale „Borussenfront“ agitierte die Fans im Westfalenstadion.

Die Zahl der aktiven Neonazis in Dortmund sei in der Vergangenheit nicht signifikant gestiegen, so Dagmar Pelzer vom NRW-Innenministerium zur taz. Die Zahl der rechten Straftaten sei zwar in Dortmund angestiegen, „die Stadt liegt dabei aber im Landestrend“. 2.524 Straftaten wurden 2005 landesweit gezählt. 344 mehr als im Vorjahr – der Großteil (1.787) bezieht sich auf Propaganda-Delikte. „Der Staatsschutz beobachtet allerdings seit gut einem Jahr, dass die Szene sich inhaltlich verändert“, so Pelzer. In Dortmund träten vermehrt so genannte „Autonome Nationalisten“ auf – eine Gruppe, die in ihrem schwarzen Outfit an linke Autonome erinnert.

Die Dortmunder „Kameraden“ arbeiten eng mit Neonazis aus dem Raum Unna/Kamen und der „Kameradschaft Hamm“ zusammen. Der Verfassungsschutz geht von bis zu einhundert militanten Neonazis aus. Die europaweit bekannten Rechtsrock-Bands „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“, um den Dortmunder Sänger und Gitarristen Marko Gottschalk sind ebenfalls in der städtischen Szene verankert.