Stadtteil will nicht unter Brücke wohnen

Hafenquerspange: Wilhelmsburger befürchten Stelzenautobahn, die sie von der Innenstadt abschneiden würde. Einwohnerversammlung verlangt, Alternativen zu erwägen. Stadtplaner schlägt vor, acht Fahrspuren in den Deich zu verlegen

Von Gernot Knödler

Wilhelmsburg wird sich nicht sang- und klanglos von der Innenstadt abschneiden lassen. Mehrere Hundert Einwohner sind am Donnerstagabend einer Einladung des Vereins „Zukunft Elbinsel“ gefolgt, um über die Perspektiven ihres Stadtteils zu sprechen. Ihre Hauptsorge: Die Hafenquerspange, eine zukünftige Autobahn von der A7 zur A1 könnte sich wie ein Riegel zwischen den Stadtteil und die City schieben. Der Verein Zukunft Elbinsel fordert eine Planungskonferenz zum Thema „Transport und Verkehr – Alternativen zur Autobahn im Hamburger Zentrum“. Vorschläge gibt es reichlich. Neu: Eine Autobahn im Deich südlich des Spreehafens.

Mit der Hafenquerspange will der Senat dem dramatisch wachsenden Verkehrsaufkommen im Hafen begegnen. Immer mehr Container werden an den Kais umgeschlagen, sodass sich immer mehr Laster durch die Straßen im Hafen quälen. Besonders auf der Köhlbrandbrücke, beklagen Spediteure, stauten sich die Sattelschlepper immer häufiger.

Der Senat will deshalb eine zweite Brücke neben die Köhlbrandbrücke setzen. Weiter auf Stelzen soll die Piste den Rossdamm sowie am Veddeler Damm entlang führen und schließlich diagonal über den Spreehafen hinweg zum heutigen Stummelende der A252 kurz vor der A1 gelangen.

Aus Wilhelmsburger Sicht und nach Ansicht der Architekten konterkariert eine solche Stelzenstrecke den vom Senat geplanten Sprung über die Elbe. Wilhelmsburg soll eine blühender Stadtteil am Wasser werden und mit der City zusammenwachsen. Es gibt Überlegungen, auf dem Grasbrook Wohnungen zu bauen und in den Spreehafen Hausboote zu legen. Auf der Veddel soll ein Auswanderermuseum entstehen und am Hansahafen ein Hafenmuseum.

„Der gegenwärtig geplante Straßenverlauf beeinträchtigt die Zugänglichkeit und Nutzung des Spreehafens und zerteilt optisch und räumlich das künftige Stadtentwicklungsgebiet“, hat die Architektenkammer jetzt zu bedenken gegeben. Den Anwohnern drohten Lärm und Abgase. Eine Brücke ohne „herausragende gestalterische Qualität“ würde den Blick Richtung City verunstalten.

Die Kammer bat den Senat deshalb, eine Alternative „unabhängig und öffentlich nachvollziehbar zu prüfen“: Von der Ausfahrt Georgswerder der A252 solle ein Tunnel unter dem Veddeler Wasserkreuz zum Veddeler Damm gebaut werden. Diese Lösung könne „Wilhelmsburg wesentlich entlasten“ und decke sich im Übrigen mit einer Anregung der Bürgerschaft.

Nach Ansicht der Baubehörde jedoch wäre das Anknüpfen einer stark befahrenen Hafenquerspange an die Ausfahrt Georgswerder „aus verkehrstechnischer Sicht nicht zu leisten“: Es gebe nicht genügend Platz. Die S-Bahn stehe im Weg.

Ein neuer Vorschlag des Stadtplaners Gerhard Bolten, Mitgründer des Architektur-Centrums, wäre auf eine Anschlussstelle Georgswerder nicht angewiesen: Vom Stummelende der heutigen A252 könnte die Querspange zum Spreehafen führen, dort als Tunnel im Deich bis zum Reiherstieg führen, diesen unterqueren und dann auf die Trasse des Senats einschwenken. Der Vorschlag, den Deich anzutasten, berührt allerdings ein Tabu und hat daher wenig Chancen, ernsthaft geprüft zu werden.