berliner szenen Weg zum Ruhm

Mein Fahrrad im Kino

Ich kann mich immer noch nicht beruhigen. Gestern Abend habe ich im Kino mein Fahrrad wiedergesehen, das mir vor drei Jahren gestohlen wurde. Ich war völlig perplex, als es plötzlich auf der Leinwand auftauchte, und wollte es erst nicht glauben. Aber da war das gelb-grüne Lenkerband, das ich eigenhändig um den Lenker gewickelt hatte. Und da war auch die lange, rostige Narbe auf der Mittelstange, die ich ihm bei einem gemeinsamen Sturz zugefügt hatte. Es war ganz ohne Zweifel mein Fahrrad.

Die Sonne, die durch die Straße auf die Leinwand fiel, betonte auf sehr vorteilhafte Art seine grasgrüne Lackierung. Trotz seines bewegten Lebens, seiner Narben und Schrammen und Dellen, war es noch immer ein attraktives Rad, das man gerne betrachtete. Es strahlte eine stille Würde und Gelassenheit aus, wie es da auf dem Bürgersteig stand und sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ. Nicht mal durch Nadja Uhl, die sich wie ein Bauarbeitertraum an ihm vorbei- und durch den Film bewegte. Und dann war es auch schon aus dem Bild verschwunden. So etwas gibt es nur im Kino, dachte ich.

Es tauchte später noch einige Male auf, und ich freute mich jedes Mal und hätte am liebsten laut gerufen: „Mein Fahrrad! Das da vorne ist mein Fahrrad!“, aber ich verkniff es mir dann doch, weil man mich nur für einen Spinner gehalten hätte.

Als der Film zu Ende war, machte ich auf dem Nachhauseweg einen Schlenker über den Helmholtzplatz, aber mein Fahrrad stand natürlich nicht mehr da. Das wäre auch zu schön gewesen. Wenn ich es wiedersehen möchte, werde ich wohl wieder ins Kino gehen müssen. Und wer weiß: Vielleicht ist das ja erst der Anfang, und mein Fahrrad ist gerade auf dem Weg nach Hollywood. DANIEL KLAUS