DAS IGH-URTEIL ZU KONGO GEGEN RUANDA IST FOLGERICHTIG
: Es bleibt ein schaler Nachgeschmack

Auf den ersten Blick ist es ein bizarres Urteil. Wie kann der Internationale Gerichtshof sich für Kongos Klage gegen Ruanda wegen „bewaffneter Aggression“ für nicht zuständig erklären, nachdem er erst im Dezember 2005 das nicht minder am Kongokrieg beteiligte Uganda in der gleichen Sache schuldig sprach? Kann es wirklich sein, dass das höchste Organ der Völkerrechtsprechung in zwischenstaatlichen Konflikten keine Möglichkeit hat, den blutigsten Krieg zu behandeln, den die Welt seit 1945 erleben musste?

Bei genauerer Betrachtung ist das Urteil dennoch folgerichtig. Die Grundlage der kongolesischen Klage war zu dürftig, um in den relativ schmalen Zuständigkeitsbereich der Den Haager Richter zu fallen. Nicht von ungefähr gibt es für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord eigene internationale Gerichte. Der jetzt angerufene Gerichtshof ist dafür nicht da. Es kann beim Krieg im Kongo schließlich nicht in erster Linie darum gehen, ob die Montrealer Luftfahrtkonvention verletzt worden ist oder ob zur Klärung von völkerrechtlichen Verpflichtungen gegen Frauendiskriminierung die korrekten zwischenstaatlichen Verhandlungswege eingehalten wurden. Aber genau auf diese Ebene ließ sich der Kongo ein – und scheiterte. Zu Recht.

Trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack. Ausgerechnet weil Ruanda vor dem Völkermord von 1994 eine Regierung hatte, die sich in zynischer Voraussicht der Zuständigkeit des IGH für solche Verbrechen entzog, kann das Land jetzt eine Zuständigkeit Den Haags zurückweisen. So macht sich Ruandas heutige Regierung opportunistischerweise die fragwürdige Haltung ihrer Vorgängerin zu Eigen, während sie ansonsten immer deren „Völkermordideologie“ verurteilt.

Das Ergebnis: Für eine juristische Aufarbeitung der Verbrechen im Kongo – für die übrigens an erster Stelle Kongolesen verantwortlich sind – gibt es noch immer keine Instanz. Ohne eine geordnete Vergangenheitsbewältigung wird der geschundene Kongo aber auch seine Zukunft nicht in den Griff kriegen. DOMINIC JOHNSON