LESERINNENBRIEFE
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Harte Arbeit, billige Löhne

■ betr.: „Freie Wahl der Armut“, taz vom 18. 2. 10

Ist es Hannes Koch nicht in den Sinn gekommen, dass es für einige keine Wahl gibt? Die sogenannten Billiglöhne werden heute für harte Arbeit bezahlt. FabrikarbeiterInnen, VerkäuferInnen, Putzkräfte, Zimmermädchen, FriseurInnen etc. arbeiten härter, als Sie es sich wahrscheinlich vorstellen. Es gibt ja diese romantische Vorstellung vom Arbeiter, der keinen Stress hat, weil er keine Verantwortung tragen muss, schön mit Fabriksirene Feierabend macht und innerlich prima abschalten kann, weil der Job so anspruchslos ist. Fast beneidenswert. Allerdings hat das nichts mit der Realität zu tun.

Die Billiglohnjobs sind echte Plackerei, wer nicht fit ist, fällt selbst aus diesen Jobs raus. Wo ist da die freie Wahl? Am unteren Ende der Lohnskala wird hart um die Plätze gekämpft. Und nicht jeder gewinnt. BEATE WEBER, Berlin

Die dümmste Variante

■ betr.: „Freie Wahl der Armut“, taz vom 18. 2. 10

Der Kommentar lässt die unterschiedliche Logik von Hartz IV/Sozialhilfe und Niedriglöhnen durchscheinen. Hartz IV bemisst sich am absoluten Kriterium des Existenzminimums als Individualrecht, Niedriglöhne an der relativen Marktstellung des Arbeitnehmers – ohne Berücksichtigung seines individuellen Lebensbedarfs. Damit wären zwei Lösungen denkbar: Auf der Lohnseite wird mittels Mindestlohn das marktferne Kriterium der Existenzsicherung für jeden Einzelnen in die Entlohnung eingebaut. Oder man setzt den Existenzbedarf gesamtgesellschaftlich als Basis von darauf aufsetzender Lohnfindung durch, mittels Grundeinkommen, Bürgergeld, negativer Einkommensteuer o. Ä. Wobei letzterer Weg in der heutigen ausdifferenzierten Gesellschaft intelligenter wäre.

Einfach die staatliche Grundsicherung abzusenken und der erodierenden Lohnsituation einfach ihren Lauf zu lassen (oder den davon profitierenden Firmen den Erhalt der Arbeitsfähigkeit ihrer Mitarbeiter per Transfer zu subventionieren) ist die dümmste Variante. Deshalb kommt sie auch von der FDP. MAIK HARMS, Hamburg

Da gibt es keine freie Wahl

■ betr.: „Freie Wahl der Armut“, taz vom 18. 2. 10

Da gibt es keine freie Wahl. Wer Hartz IV beziehen will und als arbeitsfähig gilt, muss zeigen, dass er bereit ist, eine Arbeit anzunehmen. Wer sich weigert, etwa wegen schlechter Bezahlung oder Arbeitsbedingungen, wird sanktioniert. Dann werden die staatlichen Geldleistungen gekürzt oder ganz eingestellt. Wer sich also freiwillig für die Armut entscheidet, bekommt nicht mal den bescheidenen Regelsatz für sich und seine Familie.

Die Behörden tragen indirekt zum allgemeinen Lohndumping bei, indem sie Arbeitslose drängen, zu inakzeptablen Bedingungen zu arbeiten. Wenn das Gehalt unterm Existenzminimum liegt, zahlen sie die Differenz. Die Arbeitslosen, die ich kenne, möchten sehr gerne einen Job annehmen, nicht nur aus finanziellen Gründen. Sie wollen ihre Fähigkeiten in die Gesellschaft einbringen. Aber sinnvolle Arbeit ist dort leider genauso ungleich verteilt wie Wohlstand. Die einen haben zu viel, die anderen zu wenig. ULRIKE WACHE, Bremen

Arbeitszeiten verkürzen

■ betr.: „Für seine Verhältnisse fast gemäßigt“, taz vom 18. 2. 10

Die Debatten, die landesweit zur Dekadenz-Bemerkung von Westerwelle geführt werden, sind mir zu oberflächlich. Soll es denn ein Dauerzustand sein, dass es in Deutschland beständig zwischen drei und vier Millionen Arbeitslose und damit ein Heer von Sozialbedürftigen gibt? Wenn wir das gesellschaftliche Übel der Arbeitslosigkeit abschaffen wollen, müssen andere, neue Wege gegangen werden.

Dank unserer technischen Möglichkeiten sind wir in der glücklichen Lage, gegenwärtig weniger arbeiten zu müssen. Die Ursache für unsere heutige Arbeitslosigkeit liegt also allein darin, dass es zu wenig Arbeitsplätze gibt. Die logische Konsequenz: Die vorhandene Arbeit muss gerecht verteilt werden! Ein Staat mit seiner Gesellschaft muss sich so organisieren, dass alle, die arbeitsfähig und arbeitswillig sind, auch eine Arbeit bekommen können. Um das zu erreichen, müssen in bestimmten Wirtschaftsbranchen die täglichen Arbeitszeiten verkürzt werden. Und das Recht auf Arbeit sollte verfassungsrechtlich garantiert sein! DIETER LEHMANN, Falkenberg