Von Kairo bis Jakarta

Neben viel Zorn und Empörung gibt es aber auch besonnene Stimmen

KAIRO taz ■ Die heftigen, teils gewalttätigen Reaktionen in der islamischen Welt im Karikaturenstreit hielten am Freitag an.

Im palästinensischen Gaza-Streifen warfen Unbekannte eine Rohrbombe in das französische Kulturzentrum. Viele ausländische Journalisten und Angehörige von Hilfsorganisationen haben inzwischen den Gaza-Streifen verlassen, nachdem die Al-Aksa-Milizen ankündigten, Bürger aus den Ländern zu entführen, in denen die Karikaturen veröffentlicht worden waren.

Zehntausende Palästinenser gingen gestern nach dem Freitagsgebet aus Protest auf die Straße. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte die Veröffentlichung, warnte aber davor, Bürger europäischer Staaten dafür verantwortlich zu machen. In Indonesien versuchten Bewaffnete, in die dänische Botschaft in Jakarta einzudringen. Großajatollah Ali al-Sistani, der prominenteste schiitische Geistliche im Irak, verurteilte die Karikaturen ebenfalls, gab aber radikalen Muslimen eine Teilschuld, das Bild des Islams in der Welt zu verzerren.

In den Supermärkten in Kairo sind inzwischen kaum mehr dänische Produkte zu kaufen. „Dänische Produkte wurden hier aufgrund des Boykotts dänischer Waren entfernt“, heißt es lapidar auf einem Schild im Metro-Supermarkt im Stadtzentrum, wo sich normalerweise dänische Butter stapelt.

„Ein Tag des Zorns“ wurde von zahlreichen Moscheen in Kairo beim Freitagsgebet verkündet. So auch in der As-Sahaba-Moschee in Giza, in der Nähe der Pyramiden. „Wir werden von allen Seiten angegriffen und sollten antworten“, predigt der Imam, wie, das lässt es allerdings offen. „Sie haben keinerlei Respekt vor unserer Religion und sprechen über Pressefreiheit, aber schau mal den Kopftuchstreit in Frankreich an, ist das Religionsfreiheit?“, sagt ein junger Ingenieur auf dem Weg vom Gebet nach Hause. Alle europäischen Waren sollten boykottiert werden, meint er, schließlich sei das alles ein gemeinsamer Markt.

Der Mathelehrer Said Ahmad ruft hingegen zur Besonnenheit auf. „Wir wollen zeigen, wie wütend wir sind, aber an einem dauerhaften Abbruch der Beziehungen kann keiner Seite gelegen sein“, sagt er. Warum habe sich der dänische Präsident nicht schon im September entschuldigt, fragt er. „Müssen wir erst unsere versteckte Wirtschaftsmacht einsetzen, um eine Entschuldigung zu erhalten?“ Am Ende winkt er ab: „Wir können nicht mit den Europäern einen Krieg beginnen. Sie brauchen uns und wir brauchen sie.“

Genervt über die ganze Angelegenheit ist der Buchhalter Mahmud. „Wir sollten die zahlreichen wirklichen Konflikte lösen“, erklärt er und fügt hinzu: „Lasst uns die echten Probleme angreifen, als uns von künstlichen Problemen ablenken zu lassen.“ KARIM EL-GAWHARY