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: Ein Schönling soll die Bush-Partei liften

John Boehner war am Donnerstag wohl der Ungläubigste. Nur hauchdünn gewann er die Wahl zum Fraktionsführer der Republikaner im US-Repräsentantenhaus, aber er gewann sie. Damit war Roy Blunt aus Missouri, dem der Posten schon so gut wie sicher schien, zum Erstaunen aller gescheitert. Offenbar ereilte die Republikaner, die ihren Blunt durchaus schätzen, in letzter Minute doch noch die Angst. Blunt hatte die Bush-Partei im Kongress interimsmäßig geführt, nachdem der eigentliche Fraktionschef Tom DeLay – in Skandale verstrickt – im Januar genötigt worden war, sein Amt aufzugeben.

Blunt ist ein Protegé DeLays und damit ein Absolvent der „texanischen Schule“. Die steht längst für unsaubere Verhältnisse, Machtmissbrauch, Geldwäsche, Lobbyismusgeschäfte, kurz: für das ziemlich unethische Gesamtkunstwerk, dass die wertebesessenen US-Konservativen in jahrelanger Alleinherrschaft in Washington kreiert haben. Es ist daher verständlich, dass die Republikaner einen Mann an ihre Spitze setzten wollen, dessen Gesicht neu, aber nicht unbekannt ist.

John Boehner erfüllt offenbar diese Anforderungen. Sein Name, der natürlich nicht wie „Böhner“ klingt, sondern „Bay-ner“ ausgesprochen wird, soll nun für einen frischen Start in den Wahlkampf sorgen. Im November 2006 wird der US-Kongress neu gewählt – und die Republikaner haben einiges zu verlieren, glauben wenigstens die Demokraten und die Meinungsforscher.

Der 56-Jährige hat keine Revolution versprochen, vielmehr stehe er für leichte Reformen; für ein Ende der „Speckschwarten“-Projekte, wie die Praxis des Kongresses genannt wird, Wahlkreise einzelner Abgeordneter mit teuren Investitionen bei Laune zu halten. Das wäre schon mal was. Boehner übernimmt als Fraktionschef allerdings eine Partei, die innerlich zerrissen ist im Streit darüber, ob sie nicht die eigenen Werte verraten hat. Viele sind selbst der Ansicht, dass die Partei, seit sie 1994 die Macht im Repräsentantenhaus übernahm, ihre Ziele verloren hat. Auch das Unwohlsein am Irakkrieg war in den letzten Monaten spürbar lauter geworden.

Boehners eher schlechte Beziehung zu Tom DeLay ist sein bestes Startkapital. 1998 flog er aus der Parteispitze raus, nachdem die Republikaner in der Kongresswahl fünf Mandate verloren hatten und einen ihrer Führer für die öffentliche Imagepflege opferten. Ausgerechnet Boehner soll nun ein weiteres Mal eine Image-Runderneuerung verkörpern.

Der Mann, der mit elf Geschwistern und als Sohn eines Barkeepers in Ohio aufwuchs, wirkt jedenfalls wie Dean Martin. Stets gebräunt, immer eine Zigarette in der Hand.

ADRIENNE WOLTERSDORF