Falscher Wechsel Richtung Abstieg

Eine Viertelstunde vor Spielende träumt der MSV Duisburg von den Big Points im Abstiegskampf. Die Einwechselung von Neuzugang Necat Ayguen sorgt für die Wende im Spiel. 2:0-Führung reicht nicht zum Sieg über Kaiserslautern

DUISBURG taz ■ 15 Minuten Ruhm hatte Andy Warhol einmal der Menschheit prophezeit: „Everybody is a star.“ Das Happy-End ist dabei allerdings nicht unbedingt vorgesehen. Diese Erfahrung musste Duisburgs Necat Ayguen am vergangenen Wochenende machen. 15 Minuten vor dem Spielende durfte der Neuzugang von der Spielvereinigung Unterhaching sein Bundesligadebut geben. Er kam für Dirk Lottner. Der Spielmacher Lottner wurde mit stehenden Ovationen verabschiedet: Er hatte die Mannschaft des MSV Duisburg zu einem 2:0 über den 1. FC Kaiserslautern geführt – der deutlichste Vorsprung der laufenden Saison.

Die Meidericher schienen im Abstiegskampf die ersten Big Points einzufahren. Der Vorsprung auf den Tabellenletzten Kaiserslautern würde auf sechs Punkte anwachsen, auf den anderen Plätzen der Liga gab es für die Konkurrenz ebenfalls nichts zu holen. Der MSV war nach Meinung der euphorisierten Fans „wieder da“. Leider nur bis zur 79. Minute. Necat Ayguen versuchte bei seinem zweiten Ballkontakt am eigenen Fünfmeterraum Gegenspieler Daniel Halfar zu umspielen – dieser nahm Ayguen den Ball ab und verwandelte zum 1:2. Drei Minuten später traf Halfar von Ayguen beobachtet zum 2:2-Endstand. Statt der Befreiung erlebte Fußball-Duisburg einen vielleicht vorentscheidenden Rückschlag im Kampf um den Klassenerhalt. Die Fans, die eben noch lautstark wie selten zuvor ihr auferstandenes Team feierten, verließen nun fluchtartig das Stadion. Pfiffe gab es keine, statt dessen: stumme Resignation und entsetzte Minen.

„Das habe ich mir anders vorgestellt“, sagte Ayguen hinterher. Die Ankunft in der ersten Liga begann mit der bittersten aller Erfahrungen. Die Schäden für ihn und seinen Verein lassen sich nur erahnen. „Er ist etwas übermotiviert in das Spiel gegangen“, sagte Duisburgs Trainer Jürgen Kohler nach seinem persönlichen Heimdebut. „Wir werden Necat jetzt ein, bis zwei Tage Luft holen lassen und dann mit ihm über die Sache reden.“ Kohlers Worte kamen nur stockend, er wirkte selbst erschrocken über die Situation. Eine Woche nach seiner Premiere als Bundesligatrainer beim 1:0-Erfolg in Stuttgart ist die Euphorie verflogen. „Der Punkt bringt uns nicht weiter, drei Punkte wären Pflicht gewesen“, sagte Mittelfeldspieler Tobias Willi.

Die 2:0-Führung der Duisburger kam dabei relativ glücklich zu Stande. Beim 1:0 in der 40. Minute stand Markus Kurth klar im Abseits, der Elfmeter zum 2:0 (62.) war zumindest umstritten. Duisburgs Marco Caligiuri wurde im Strafraum von Lauterns Marcello Pletsch zwar berührt, ging aber erst zwei Schritte später zu Boden. „Wenn ich eine Schwalbe mache, muss ich auch den Arsch in der Hose haben und das zugeben, wenn der Schiedsrichter mich fragt“, schimpfte Lauterns Coach Wolfgang Wolf. Es gehe schließlich um Abstiegskampf, ums Überleben. „Wo bleibt das Fairplay?“ so Wolf. „Das ist nicht in Ordnung, dass du meinen Spieler an den Pranger stellst“, antwortete Kohler. Wenn es so gewesen sei, werde er „schon mit dem Spieler reden“, so Kohler. Es besteht Gesprächsbedarf in Duisburg. 15 Minuten werden dafür kaum ausreichen.

HOLGER PAULER