Mehr Polizei bringt nicht mehr Sicherheit

In der Debatte um innere Sicherheit bezichtigt Ex-SPD-Senator Hartmuth Wrocklage seine Partei der „Spiegelfechterei“. Polizei dürfe nicht auf Kosten von Bildungs- und Sozialbereich geschont werden. Sparpotenzial durch neue Einsatzkonzepte

von Kai von Appen

In die Sicherheitsdebatte um die Streichung von 151 Stellen bei der Hamburger Polizei hat sich jetzt der ehemalige SPD-Innensenator Hartmuth Wrocklage eingeschaltet. Dabei geht er mit seiner Partei scharf ins Gericht: „Ich bin nicht bereit, die allgemeine Volksverdummung, wie sie von den großen Parteien in der Hamburger Bürgerschaft betrieben wird, widerspruchslos hinzunehmen“, schreibt Wrocklage in einem der taz übermittelten Positionspapier: „CDU und SPD streuen sich gegenseitig und, was noch schlimmer ist, sich jeweils selbst Sand in die Augen.“

Für den Ex-Senator, der sich einst selbst mit Sparbeschlüssen bei der Polizei unbeliebt machte (siehe Kasten), ist „schlichte Wahrheit“, dass der Haushalt ohne Eingriffe in die großen Personaletats aller Bereiche nicht saniert werden könne. „Wer die Polizei von Sparmaßnahmen ausnimmt, hat den umso stärkeren Eingriff bei Kindergärten, Schulen und Sozialeinrichtungen mit zu verantworten.“

Die „zweite schlichte Wahrheit“ sei, dass es bei der Polizei, „nüchtern betrachtet, selbstverständlich nach wie vor Sparpotenziale gibt, die über die in Frage stehenden Stellen noch hinausgehen.“ Die simple Gleichung „mehr Polizei – mehr Sicherheit“ sei zwar „vorherrschende Meinung“, aber „nur vordergründig richtig“. Ex-Innensenator Ronald Schill habe sie in seiner Amtszeit durch Personalaufstockungen nicht belegen können.

Wrocklage fordert darum zum Nachdenken auf: Ob der Rückgang der Kriminalität nicht vielmehr auf effektivere Polizeiarbeit etwa durch das erfolgreiche Anti-Raub-Konzept zurückzuführen sei? Und ob die Kriminalitätsrate unter Schill nicht bereits sank, als sich die Personalverstärkung noch gar nicht bemerkbar machen konnte?

„Aber: Denken tut weh“, frotzelt er. „Es ist natürlich viel einfacher, die allgemeinen Vorurteile des ersten Anscheins zu pflegen.“ Solcher Mainstream werde von Medien mit „Polizeinähe“ gern forciert. „Natürlich kann die Polizei ohne Sparmaßnahmen bequemer leben, weil der Anpassungdruck in Richtung Organisationsreformen oder innovative Einsatzkonzepte wegfällt.“ Vor diesem Hintergrund würden die Sicherheitspolitiker von CDU und SPD „mit ihren Ziertänzen zur Selbstbestätigung im Spiegel der öffentlichen Meinung“ eine traurige Rolle spielen.

Denn nach dem im Jahre 2001 vollzogenen „sicherheitspolitischen Kurswechsel der SPD“ in der durch Schill und CDU-Justizhardliner Roger Kusch aufgeheizten öffentlichen Stimmung, kippe nun „auch die CDU aus der Rolle ihrer an Schill angepassten opportunistischen Sicherheitspolitik der Oppositionszeit“. Unter dem Druck der Regierungsverantwortung tue sie genau das, „was sie dem rot-grünen Senat und dessen von mir verantworteter Sicherheitspolitik – vor dem Umfall – vorgeworfen hat“, stellt Wrocklage fest. „Es hat also ein schlichter Rollenwechsel stattgefunden.“

In der Tat warnte jüngst der SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel den Senat, nicht dieselben Fehler zu machen wie früher die SPD und Personal abzubauen. „In der trügerischen Hoffnung, mit den verbrauchten Schill-CDU-Konzepten die nächste Wahl zu gewinnen, bedient sich die SPD der alten Maske der CDU“, so Wrocklage.

Die dritte „schlichte Wahrheit“ ist für den Ex-Senator, dass eine heute regierende SPD nicht anders handeln könne als zurzeit die CDU. „Der Streit um das Ob der Sparmaßnamen ist also reine Spiegelfechterei.“ Mit seriöser Politik habe das nichts zu tun. Wrocklage: „Das Weitermachen wie bisher ist ein Sicherheitsrisiko ganz eigener Art.“