Geheime Aktionen, offener Stolz

USA NSA-Chef Keith Alexander verteidigt im Haushaltsausschuss des US-Senats das Abhör- und Überwachungsprogramm seines Geheimdienstes. Whistleblower Snowden bleibt in Hongkong

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

„Wieso hat ein Auftragnehmer Zugang zu Informationen, wenn wir 13 Milliarden Dollar dafür ausgeben, dass ihre Daten vor dem Zugriff von Außenstehenden sicher sind?“ Die Frage des Demokraten Jon Tester richtet sich an Keith Alexander, Vier-Sterne-General und Chef der National Security Agency (NSA). Andere Senatoren wollen wissen, ob die NSA tatsächlich die medizinischen Daten, Kreditkarteninformationen, E-Mails und Google-Recherchen von US-AmerikanerInnen auskundschaftet. Die Sitzung des Haushaltsausschusses des Senats war als Routineveranstaltung geplant, um über das Budget für die Cyberspionage zu beraten. Knapp eine Woche nach Beginn der Enthüllungen von Edward Snowden über die massive Schnüffelei der NSA im Telefonnetz und Internet gerät sie zu einer ungewöhnlich kritischen Konfrontation. Die Kameras laufen mit. Im Gegensatz zu den mit der Aufsicht über die Geheimdienste betrauten Kongressausschüssen tagt der Haushaltsausschuss öffentlich.

Der langjährige Chef der größten Elektronikspionageagentur der Welt ist einer der mächtigsten Männer Washingtons, obwohl auf der Straße kaum jemand sein Gesicht erkennen würde. Am Dienstag tut er mehrfach so, als müsste er nach Worten suchen. Er gibt zu, dass es ein Problem ist, dass ein 29-jähriger Mitarbeiter eines außenstehenden Unternehmens Zugang zu derart vielen Geheimdaten habe. Und gibt den SenatorInnen auf deren Drängen und nur in homöopathischen Dosen ein paar Informationen. Der NSA-Chef sagt, wie „stolz“ er auf seine MitarbeiterInnen ist. Und dass ihre Arbeit geholfen habe, „Dutzende von terroristischen Ereignissen zu verhindern“. Doch er will nur einen konkreten Fall nennen: einen Bombenanschlag in der New Yorker U-Bahn, den ein gewisser Najibullah Zazi im Jahr 2009 geplant haben soll.

Die SenatorInnen wollen mehr wissen. Ob die NSA, die auftragsgemäß nur für Spionage bei AusländerInnen zuständig ist, Informationen über den Anschlag von Bengasi gehabt habe. Und über die Bomben beim Boston-Marathon. Der NSA-Chef will sich dazu nicht äußern. Sagt, dass beim NSA gegenwärtig eine „Schadensermittlung“ nach den Enthüllungen läuft. Dass er demnächst mehr Informationen liefern wird. Und dass es in der Tat Dinge in seiner Agentur gäbe, „die wir reparieren müssen“. Aber er bittet weiterhin um das Vertrauen der Politiker. Sagt: „Wir ermitteln nur bei begründetem Verdacht.“

Über die Probleme bei der Kontrolle der Geheimdienste sagt der demokratische Senator Tom Udall: Wir sprechen über ein geheimes Programm, über geheime Gerichte, über geheime gerichtliche Anordnungen und über eine geheime Interpretation von Gesetzen.“ Sein demokratischer Kollege Ron Wyden, der auch im Geheimdienstausschuss sitzt, fügt hinzu: „Es ist für den Kongress einfach nicht möglich, Aufsicht zu führen, wenn wir keine klaren Informationen bekommen.“

Unterdessen gibt der 29-jährige Whistleblower, der die Anfänge von Offenheit in Washington ausgelöst hat und für den das Justizministerium in Washington gegenwärtig eine Anklage vorbereitet, in Hongkong ein neues Interview. Dieses Mal der örtlichen Zeitung South China Morning Post. Snowden sagt, dass er sich nicht versteckt, sondern in Hongkong bleiben wird, bis er aufgefordert werde, zu gehen: „Ich bin hier nicht, um mich vor der Justiz zu verbergen, sondern um Verbrechen offenzulegen“. In demselben Interview erwähnt er auch mehr als 61.000 Fälle von weltweitem Hacking durch die NSA. Darunter zahlreiche in Hongkong und China.