berliner szenen Mittelalter im Pfefferberg

In Germanistan

Im Pfefferberg geht es zu wie auf einem „Herr der Ringe“-Filmdreh. Durch den Biergarten wandeln Ritter mit blitzenden Schwertern, bärtige Wandersleute in Kapuzenumhängen und allerlei Volk aus sämtlichen Teilen Mittelerdes. Am Eingang zu Haus 13 steht die Elfenkönigin Amandara. Sie trägt ein Diadem im goldenen Haar, ihr Umhang wallt bis zum Boden. Doch an ihrer Seite steht kein Elf, sondern ein stämmiger Mann in Kreuzritteruniform. Ich schüttle mich und falle von Mittelerde in die Berliner Mittelalterszene. Die Elfenkönigin heißt mit Nachnamen Schulzke und hat ihre Freunde eingeladen, den Obdachlosenverein Mob e.V. mit Musik, Tanz und Kunst beim Aufbau einer Armenküche zu unterstützen.

Drinnen bieten Kunsthandwerker lederne Schwerthüllen und Schmuck feil. Zwei Maler mit Baskenmützen pinseln um die Wette. Der eine malt eine Straßenszene, der andere einen massiven Leuchtturm. Die Bilder sollen später versteigert werden. Auf der Bühne unterhält ein Trio mit Klängen aus „Germanistan“. Zu Trommel, Schalmei und Dudelsack schüttelt der Frontmann wild sein Samtkostüm, doch das Publikum bleibt statisch. Zwischen praktisch gekleideten Sozialarbeitern und kostümierten Gesellen blitzen auch kahl geschorene Schädel. An der Bar stützt sich ein Bärtiger müde auf sein langes Silberschwert, an seinem Rücken hängt ein Schild.

Vielleicht hätte man heißen Met ausschenken sollen, überlege ich und bestelle ein Beck’s. Die Band kündigt eine Zigeunerweise an. Die Zigeuner stammten ursprünglich aus Indien, erklärt der Sänger dem Publikum, das seien alles Arier. Die Glatzköpfe in ihren Bomberjacken prosten sich zu, und ich beschließe, dass es Zeit ist, Germanistan wieder zu verlassen. NINA APIN