Die Hamas sucht neue Geldgeber

Nach dem Wahlsieg der Islamisten überweist die israelische Regierung jetzt doch die Zoll- und Steuergelder an die palästinensische Autonomiebehörde. Das neue Parlament soll Mitte der kommenden Woche erstmals zusammentreten

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Die palästinensischen Sicherheitskräfte können in den nächsten Tagen wieder an den Geldautomaten Banknoten ziehen. Nach dem Sieg der islamistischen Hamas bei den palästinensischen Parlamentswahlen am 25. Januar hatte Israel zunächst die Überweisung der monatlichen Summe von knapp 50 Millionen Euro gestoppt. Dies führte dazu, dass die Gehälter der rund 130.000 Palästinenser im öffentlichen Dienst nicht ausgezahlt werden konnten. Gestern entschied die israelische Regierung, dem dringenden Rat des Verteidigungsministeriums folgend, die Gelder, die direkt an das palästinensische Finanzministerium gehen, doch zu überweisen.

Vergangene Woche hatte die Weltbank vor einem Zusammenbruch der Autonomiebehörde gewarnt, falls die Palästinenser nicht umgehend die Finanzhilfe erhalten. Die Zahlung der Zoll- und Steuergelder einzufrieren, urteilte die israelische Friedensbewegung Gusch Schalom, sei nichts anderes als „Diebstahl“, da es sich nicht um Spenden, sondern um palästinensische Gelder handele, die Israel für die Autonomiebehörde kassiere. Ferner werde der Zahlungsstopp die neue Führung nur „in die Hände des Iran treiben“.

Auch ohne israelische Sanktionen orientiert sich die Hamas bereits in Richtung Damaskus und Teheran. Die USA und Europa hatten die Fortsetzung der Aufbauhilfe an Bedingungen geknüpft, darunter die Anerkennung Israels und aller bisherigen Abkommen zwischen der PLO und Israel durch die Hamas sowie eine Abkehr von militantem Widerstand. Auch die arabische Liga rief nach der Wende die künftige palästinensische Führung zur Anerkennung Israels auf. Khaled Maschal, der in Damaskus ansässige politische Chef der Hamas, lehnt eine Anerkennung Israels strikt ab. Dennoch könne er einen Waffenstillstand anbieten, schrieb er in der palästinensischen Zeitung al Hajat al-Dschadida. Wenn Israel bereit sei, „das Prinzip eines langfristigen Waffenstillstands zu akzeptieren, sind wir bereit, über die Bedingungen dafür zu verhandeln“, so Maschal.

Ein solcher Waffenstillstand könnte wiederum die syrischen und iranischen Geldgeber verärgern. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte der Hamas bereits finanzielle und politische Unterstützung versprochen, unter der Prämisse allerdings, dass die Bewegung dem Kampf gegen die Besatzung in „Großpalästina“ treu bleibt.

Am Wochenende traf Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erstmals mit den Wahlsiegern im Gaza-Streifen zusammen. Dabei ging es vor allem um einen Termin für die Vereidigung der neuen Parlamentarier voraussichtlich Mitte kommender Woche. Zwischen Abbas und der künftigen Regierung bahnt sich ein erster Konflikt an, nachdem der Palästinenserpräsident ankündigte, die Kontrolle über die Sicherheitsdienste an Nassir Jussef zu delegieren. Jussef war bislang Innenminister und soll künftig als Stellvertreter von Abbas als höchster Kommandant über die Sicherheitstruppen fungieren.