Schulterschluss gegen Iran

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz verdrängte die gemeinsame Front gegen Irans Atomprogramm andere Konflikte

Iran ist ein führender staatlicher Sponsor des Terrorismus

aus München BETTINA GAUS

Offiziell stand das Thema Iran gar nicht auf der Tagesordnung der Münchner Sicherheitskonferenz, zu der rund 300 Teilnehmer aus aller Welt – unter ihnen etwa 40 Außen- und Verteidigungsminister – am Wochenende angereist waren. Die Zukunft der Nato, die transatlantischen Beziehungen und die Rolle von Russland waren Themen von Diskussionsforen. In ruhigen Zeiten hätten die unterschiedlichen Positionen genug Stoff für kritische Analysen über neue (und alte) Konflikte hergegeben. Aber die Zeiten sind nicht ruhig. Und deshalb wurde aufmerksamer als sonst jedem Zwischenton nachgelauscht, auf jeden Halbsatz geachtet, in dem es eben doch um den Iran ging. Wird es Krieg geben?

Niemand wolle das, versicherten alle – möglicherweise – Beteiligten, an den Mikrofonen ebenso wie in der Kaffeepause. Bislang seien ja noch gar keine konkreten Sanktionen angedroht worden. Die Befassung des Weltsicherheitsrats mit dem iranischen Atomprogramm sei keine Provokation. Die militärische „Option“ sei nur die allerletzte Möglichkeit. Als das müsse sie jedoch auch klar benannt werden. Sonst fehle der Druck. Aber, wie gesagt, niemand wolle das.

Wann wird aus einer latenten Bedrohung eine akute Gefahr? Vielleicht dann, wenn Konfliktparteien nicht einmal mehr eine gemeinsame Sprache finden können. Einen scharfen Schlagabtausch lieferte sich Angela Merkel mit dem iranischen Vizeaußenminister Abbas Araghchi. Der beteuerte, niemals habe sein Land den Besitz von Nuklearwaffen angestrebt. Er verstünde nicht, weshalb Laborforschung zu zivilen Zwecken als Bedrohung verstanden werde. Die Bundeskanzlerin konterte mit dem Hinweis darauf, dass Araghchi kein Wort zu den antisemitischen Ausfällen seines Präsidenten gesagt habe. Schon in ihrer Rede hatte sie erklärt: „Ein Präsident, der das Existenzrecht von Israel in Frage stellt, ein Präsident, der die Existenz des Holocaust leugnet, kann nicht erwarten, dass Deutschland in dieser Frage auch nur die geringste Toleranz zeigt. Wir haben aus unserer Geschichte gelernt.“

Die klaren Worte kamen auf der Konferenz gut an. „Der Iraner wagte kein Widerwort mehr“, hieß es in einer Agenturmeldung. „Sooo klein mit Hut“ sei er gewesen, meinte eine Beobachterin. Das mag so sein. Vielleicht war er auch nur ratlos. Oder wütend. Auffallend war jedenfalls, dass ein Dilemma von den meisten gar nicht als solches empfunden wurde: dass nämlich einerseits gerade Deutschland tatsächlich allen Anlass hat, antisemitische Äußerungen nicht einfach stehen zu lassen – dass aber andererseits es bislang nicht als diplomatische Meisterleistung galt, einen Gesprächspartner öffentlich zu brüskieren.

Ohnehin verlief die Veranstaltung in München erstaunlich widerspruchsfrei. Zumindest in öffentlichen Statements herrschte völlige Übereinstimmung: Die Nato-Partner glauben dem Iran nicht, dass sein Nuklearprogramm ausschließlich zivilen Zwecken dient. Sollte das anders sein, könne Teheran ja das russische Angebot annehmen, die Urananreicherung auf seinem Territorium zu übernehmen. Wenn die iranische Regierung das ablehnt, dann müsse sie eben mit den Konsequenzen leben. Eine Atombombe dürfe jedenfalls nicht in die Hände des Iran geraten, erklärte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, denn dieser sei „führender staatlicher Sponsor des Terrorismus“. Wenn die westliche Führungsmacht das erst einmal über ein Land sagt, dann hat dessen Regierung im Allgemeinen Grund zur Sorge.

Die Frage, was die iranische Führung trotz des damit verbundenen Risikos denn eigentlich zu ihrem Kurs veranlasst, spielte im abgeriegelten Tagungshotel „Bayerischer Hof“ nicht die geringste Rolle. Damit setzten sich ein paar hundert Meter entfernt andere auseinander: die Teilnehmer der Friedenskonferenz, die von verschiedenen Organisationen als Gegenveranstaltung zur Sicherheitskonferenz geplant worden war.

„Kein Krieg gegen Iran – für eine Welt ohne ABC-Waffen“, lautete das Thema einer Podiumsdiskussion im DGB-Haus, zu der rund 200 Zuhörer gekommen waren. Auch dort glaubte kaum jemand daran, dass der Iran mit seinem Nuklearprogramm allein friedliche Ziele verfolge. Ein militärischer Angriff auf das Land, so die einhellige Überzeugung, könne die Situation jedoch nur verschlimmern. Das würde nur dem Präsidenten nutzen, warnte die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur. „Sobald Einmischung von außen droht, schart sich dieses Volk hinter seinem Herrscherhaus zusammen.“ Deshalb hielten auch viele Iraner das russische Angebot für nicht akzeptabel. „Sie fragen: Warum sollten wir uns abhängig machen von einer ausländischen Macht?“

Der Sozialwissenschaftler Mohssen Massarrat, selbst ein gebürtiger Iraner, wies darauf hin, dass das Land „aus Sicht der Militärs“ tatsächlich ein Sicherheitsproblem habe: „Eine Mittelmacht fühlt sich eingekreist.“ Andreas Zumach, taz-Korrespondent bei der UNO, nannte eine atomare Bewaffnung Irans „eine fatale Entwicklung in jeder Hinsicht“. Die jedoch nicht mit einem Krieg verhindert werden könne, sondern nur mit militärischen Sicherheitsgarantien, einer regionalen Gesamtlösung – und mit Druck auf Israel, seinerseits abzurüsten und eine weniger aggressive Politik zu verfolgen. „Nichts gefährdet die Existenz Israels mittel- und langfristig mehr als diese Politik.“

Wer den Holocaust leugnet, kann dabei von uns keineToleranz erwarten

Auch in den Reihen der Nato mag es einige Politiker geben, die diese Einschätzung teilen. Aber öffentlich äußern würden sie das wohl kaum – und ganz bestimmt nicht jetzt, wo der demonstrative Schulterschluss das Gebot der Stunde ist. Nicht einmal die französische Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie konnte mit einer Erklärung, die nicht mit anderen Nato-Partnern abgesprochen war, die harmonische Stimmung trüben – und das, obwohl sie sich kriegerisch genug gab: Ja, ihr Land sei fähig und willens, mit Atomwaffen gezielt gegen „Entscheidungszentren“ in Staaten vorzugehen, von denen es sich terroristisch bedroht fühle.

Gemessen daran nimmt sich ein kleiner Streit ums Geld harmlos aus. Angela Merkel zeigte zwar freundliches Verständnis für den Wunsch von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nach einer Erhöhung des Wehretats, musste aber – leider, leider – auch sagen, dass solche Erwartungen „an einigen Stellen vielleicht nicht“ erfüllt werden können. Heißt im Klartext: Mehr Geld für die Bundeswehr wird es nicht geben.

Auch die Debatte über die Zukunft der Nato sorgte nicht für Missstimmung, obwohl die Meinungsverschiedenheiten unüberhörbar waren. Eine stärkere politische Rolle soll das Bündnis übernehmen, wenn es nach der deutschen Bundesregierung geht. US-Verteidigungsminister Rumsfeld und Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer warben für engere militärische Partnerschaften rund um den Globus, auch mit Ländern wie Japan oder Australien. Sehr zum Missfallen der französischen Regierung, die meint, die Nato dürfe sich nicht verzetteln.

Angela Merkel schlug vor, die strategischen Grundlagen des Bündnisses doch in zwei oder drei Jahren noch einmal grundsätzlich zu überprüfen. Eine gute Idee, fanden die meisten. Denn in bewegten Zeiten werden interne Konflikte gerne erst einmal vertagt.