Brennende Wut

DAMASKUS/BEIRUT/BERLIN ap/afp/dpa ■ Aus Wut über Karikaturen des islamischen Propheten Mohammed haben Demonstranten am Wochenende Brandanschläge auf skandinavische Botschaften im Nahen Osten verübt. In Syrien stürmten am Samstag tausende Menschen die Botschaften Dänemarks und Norwegens und zündeten die Gebäude an, am Sonntag wurde das dänische Konsulat im Libanon in Brand gesteckt. Dabei zogen tausende Demonstranten in einem christlichen Stadtviertel von Beirut vor das Konsulat. Mehrere Menschen durchbrachen einen Sicherheitskordon der Polizei und setzten das Gebäude in Brand. „Gott ist groß“, skandierten die Demonstranten. Nach Krankenhausangaben wurden bei den Zusammenstößen mindestens 28 Menschen verletzt. Im Gaza-Streifen attackierten Demonstranten eine Außenstelle des deutschen Verbindungsbüros, sie schlugen Türen und Fenster ein (siehe auch Seite 3). Im Irak forderten Anhänger des radikalen Schiitenpredigers Moktada Sadr eine Entschuldigung von den in Basra stationierten dänischen Truppen. Mehr als eintausend Menschen gingen nahe der afghanischen Hauptstadt Kabul für den Abzug des dänischen Kontingents der Nato-Schutztruppe Isaf auf die Straße.

Nach der Verwüstung seiner Botschaft griff Dänemark die syrische Regierung scharf an. Syrien habe seine Pflicht vernachlässigt, erklärte Außenminister Per Stig Moeller in Kopenhagen. Dänemark rief seine Bürger auf, Syrien und den Libanon zu verlassen. Auch Norwegen forderte seine in Syrien lebenden Bürger zur Ausreise auf. Beide Länder ziehen ihre Diplomaten ab. Die schwedische Regierung, deren Botschaft in Damaskus in demselben Gebäude untergebracht ist wie die dänische, bestellte den syrischen Botschafter in Stockholm ein.

Auch die EU und die USA kritisierten die gewaltsamen Proteste. Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft forderte, Syrien und die palästinensische Autonomiebehörde müssten den Schutz europäischer Einrichtungen sicherstellen. Die US-Regierung warf Syrien vor, die Ausschreitungen zumindest geduldet zu haben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, sie verstehe zwar, dass die Mohammed-Karikaturen in einigen Zeitungen die religiösen Gefühle von Muslimen verletzt hätten. Gewalttaten als Reaktion auf die Karikaturen seien aber inakzeptabel. Die Pressefreiheit sei ein unantastbares, hohes Gut und „als Bestandteil der Demokratie nicht wegzudenken“. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte: „Noch haben wir keinen Kampf der Kulturen, aber wir sind vom angestrebten Dialog weiter entfernt als gewünscht und weiter als notwendig.“

Auch die Präsidenten von sieben europäischer Ländern haben die Ausschreitungen scharf verurteilt. „Gewalt und Drohungen sind unter keinen Umständen zu akzeptieren“, sagte Bundespräsident Horst Köhler am Sonntag bei einem Treffen in Dresden. Dem Protest schlossen sich die Präsidenten Finnlands, Italiens, Lettlands, Österreichs, Portugals und Ungarns an. Die Meinungsfreiheit sei unverzichtbarer Bestandteil europäischer Demokratie, sagte Köhler. „Aber zur Freiheit gehört auch Verantwortung und Respekt vor den anderen und deren religiösen Gefühlen.“

UN-Generalsekretär Kofi Annan erklärte, er teile zwar die Gefühle der Muslime, die die Bilder als verletzend empfänden, dennoch rufe er zur Vergebung auf. Der Vatikan erklärte, die Proteste in der islamischen Welt seien „bedauerlich“, und rief die Religionen zu gegenseitigem Respekt auf.

Im Libanon bemühten sich Ministerpräsident Fuad Saniora und der Großmufti Mohammed Raschid Kabbani um Schadensbegrenzung. Die Gewalt schade dem Ruf des Islam, sagte Kabbani. Saniora erklärte: „Diejenigen, die diese Taten begehen, haben nichts mit dem Islam oder mit dem Libanon zu tun.“

Der Iran berief am Sonntag seinen Botschafter in Dänemark zurück nach Teheran. Außerdem erwägt der Iran die Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegen europäische Staaten, in denen die Karikaturen erschienen sind.