„Angst, dass einer durchdreht“

Die Gewalt-Aufrufe im so genannten Karikaturen-Streit lassen auch die Dänen in Bremen und umzu nicht ruhig. Einige haben schon mal die rote Flagge von ihren Autos gekratzt. Aus Angst vor Steinen

taz: Sie sind Dänin, leben seit 30 Jahren in Bremen. Margret Müller aber ist nicht Ihr richtiger Name – den wollen Sie derzeit lieber nicht in der Zeitung sehen.

Margret Müller*: Ich bin selbst ein wenig erschrocken darüber. Es ist einfach ’ne Gefühlssache. Aber ich habe Angst.

Angst wovor?

Davor, dass irgendein Durchgeknallter das, was ich heute in einer dänischen Zeitung gelesen habe, ernst nimmt: einen Aufruf von Al-Quaida an alle Muslime in der Welt. Da steht wörtlich drin: Wo immer ihr einen Dänen findet, schlagt ihn in Stücke. Wenn man vor irgendwas Angst hat, das real ist, dann kann man damit umgehen. Aber so weiß ich gar nicht genau, was das ist. Ich weiß nicht genau, was ich machen müsste.

Aus derlei Aufrufen und aus den Angriffen auf dänische Einrichtungen spricht ein unglaublicher Hass. Können Sie den verstehen?

Ganz kurz, ganz spontan: ja. Aber wirklich nur ganz kurz und ganz spontan. Dass man, wenn man sich verletzt fühlt, erst mal einen furchtbaren Hass spüren kann. Das war meine erste Reaktion, vor ein, zwei Wochen. Inzwischen kann ich das nicht mehr verstehen, weil ich glaube, dass das kein spontaner Hass ist, sondern geschürt von anderen Leuten, die was anderes damit erreichen wollen.

Die Pressegesetze in Dänemark sind relativ freizügig. Heißt das, dass man bereit ist, auch mehr einzustecken?

Ja. Es ist etwa in der dänischen Presse ganz üblich gewesen, das dänische Königshaus als Witzfiguren zu malen, jahrzehntelang. Oder in der Vorweihnachtszeit, da erscheinen ganz viele Wichtelmänner in den Zeitungen. Da laufen richtige Auseinandersetzungen zwischen dem „Volk im Walde“ und Jesus Christus, nach dem Motto: wer gewinnt jetzt eigentlich zu Weihnachten?

Und da fühlt sich niemand angegriffen?

Es gab schon immer mal wieder Situationen, wo sich Leute mit christlichem Glauben angegriffen gefühlt und das auch ausgesprochen haben. Aber gegenüber einer konkreten Zeitung. Und dann war das deren Aufgabe, sich damit auseinander zu setzen und zu sagen: „Sorry, war nicht so beabsichtigt.“ Und das dann entweder zu lassen oder damit zu rechnen, dass einige Leute die Zeitung nicht mehr kaufen. Aber es war nie so, dass jemand gesagt hat: „Das hat mit der Regierung zu tun.“ Pressefreiheit und Regierungsverantwortung, wurden immer getrennt. So sehe ich das in Deutschland auch. Wenn die BILD-Zeitung Kampagnen macht – und da sind auch ganz üble Sachen gelaufen! – käme niemand auf die Idee zu sagen: „Merkel, jetzt musst du aber was machen.“

Sie haben selbst Muslime in Ihrem Bekanntenkreis. Wie sehen die den so genannten Karikaturen-Streit?

Die finden auch, dass es nicht korrekt ist, mit Gewalt zu antworten. Aber sie meinen auch … wie soll ich sagen?, dass die Zeitungen, die Regierung, die Dänen sich fast ununterbrochen entschuldigen müssten. Ich hab’ dann drei Beispiele gebracht: Ich bin zum Beispiel gegen Abtreibung, aber für das Recht auf Abtreibung. Ich bin für das Recht, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen, aber gegen das Kopftuch im Unterricht. Und ich bin für das Recht auf freie Presse, aber gegen die Polemisierung von bestimmten religiösen Sachen. Nur: Das eine ordne ich dem anderen unter. Ich bin gegen Gesetze, ob aus dem Koran oder dem Gesetzbuch, wenn sie den Menschen in seiner Freiheit einengen. So habe ich das auch gesagt. Mir ist dann aber klar geworden, dass die das doch nicht so sehen wie ich. Wenn das einen größeren Rahmen nimmt, dann könnte auch das eskalieren.

Bisher war das nicht der Fall – auch nicht bei Ihrem letzten Treffen am Samstag?

Nö. Ich bin gegangen, am Samstag. Interview: Armin Simon

* Name von der Redaktion geändert