BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER Meine große, fette griechische Überraschung

Natalie Tenbergs Gastro-Kritik: Das Kaliva in Berlin-Charlottenburg ist der Beweis, dass griechische Küche auch taugen kann, wenn sie nicht teuer ist

Wer noch nie in Griechenland war, keine griechischen Freunde hat, aber schon in tristen Kleinstadtrestaurants Bekanntschaft mit Tsatsiki und Gyros gemacht hat, der wird die griechische Küche noch nicht besonders lieben. Auch die in „My big fat Greek Wedding“ präsentierte Esskultur – ein Schwein am Spieß im Vorgarten – trug nicht zum guten Ruf der Häppchen aus Hellas bei – fettig, fleischig, fies.

So kann man 30 Jahre durchs Leben gehen und stets behaupten, Griechisch möge man nicht. Wer dann aber doch neugierig wird, sollte das Kaliva in Berlin-Charlottenburg besuchen. Hier zeigen die beiden Köchinnen jeden Tag aufs Neue, dass alles ganz anders sein kann als geglaubt. Mittags werden hier für sechs Euro wechselnde Gerichte aus der ägäischen Küche angeboten, beispielsweise herzhafter Käsekuchen, Nudelauflauf mit Kartoffelpüree oder gemischtes, gebratenes Gemüse mit Kartoffeln. Zum Menü gehören zudem Brot mit Auberginenpaste und ein Blattsalat. Sobald man in das kleine und malerische Lokal eintritt, das auch ein Verkaufsraum ist, sucht man sich aus einer Vitrine aus, was man essen möchte. Aus zwei großen Metallfässern wird Olivenöl verkauft, eine Espressomaschine zischt.

Nach der Bestellung setzt man sich im hinteren Raum an einen der sechs kleinen Tische oder aber an den großen Tisch, der in der Mitte des Zimmers steht. Die Besitzerin des Lokals, so stellt sich heraus, ist eine diplomierte Innenarchitektin – man sieht’s!

Die Gäste, Damen im Designer-Kostüm, Studenten, auch Bauarbeiter, sitzen zwischen einem zufällig erscheinenden Durcheinander aus Suppenkellen, Schachspielen, Weinflaschen und Bastkörben, die hier angeboten werden. Der Holzboden ist fast schwarz, was dem gängigen Klischee entgegenwirkt, dass bei Griechen alles weiß-blau sein müsse. Die Wände sind dunkelrot und türkis gestrichen.

Die Köchinnen des Kaliva sind gleichzeitig auch die Kellnerinnen. Sie sprechen die Stammgäste mit Namen an und loben, wenn die Teller leer gegessen werden. Das fällt im Kaliva nicht schwer. Das Gemüse ist würzig, der Nudelauflauf mit Tomatensoße und Kartoffelpüree zart, der herzhafte Käsekuchen zergeht auf der Zunge. Dem vorherig ignoranten Gast wird plötzlich bewusst, dass tief verwurzelten Vorurteile – fleischig und fies – gar nicht stimmen. Fettig, das lässt sich freilich nicht schönreden, so ist die griechische Küche wohl. Aber es schmeckt!

Der Gast verlässt das Kaliva mit gutem Gefühl: Hierher kommt man gern zurück, ist dieses Lokal doch der Beweis, dass die griechische Küche was taugt. Vielleicht ist ja auch ein Schwein am Spieß im Vorgarten nicht so schlecht, wie es erscheinen mag.

KALIVA, Wielandstr. 37, 10629 Berlin-Charlottenburg, Mo–Fr 12–16 Uhr, Tel. (0 30) 31 00 45 50, Menü 6 €, S-Bahn-Station Savignyplatz, Kraftwerk der Bratkunst