Blauer Brief für RTL

Das Kartellamt mahnt die Komplett-Übernahmen des Nachrichtenkanals n-tv durch die Fernsehgruppe ab. Nach Springer trifft’s nun Bertelsmann

von STEFFEN GRIMBERG

Keine Woche nachdem der Zeitungskonzern Springer mit seinem Vorhaben, die ProSiebenSat.1-Senderfamilie zu kaufen, gescheitert ist, steht die nächste Fusion im deutschen Fernsehmarkt auf der Kippe. Genauer gesagt, ein Fusiönchen: Gestern mahnte das Bundeskartellamt die geplante Komplett-Übernahme von n-tv (Marktanteil aktuell 0,6 Prozent) durch die RTL-Gruppe ab. Der Fernseh-Holding des Bertelsmann-Konzerns gehörten bereits 50 Prozent des 1992 gegründeten Nachrichtenkanals.

Verglichen mit dem gestoppten Springer-Milliarden-Deal handelt es sich bei RTL/n-tv zwar um eine Petitesse. Doch der blaue Brief der Wettbewerbsbehörde, auf den RTL bis zum 16. Februar antworten kann, hat hohen symbolischen Wert: Erstmals trifft es Bertelsmann.

Bislang konnte sich Deutschlands größter Medienkonzern (siehe Kasten) im TV-Bereich stets um Einschränkungen drücken. Denn bei der Großfusion mit der luxemburgischen CLT-Ufa, aus der Mitte der 1990er-Jahre die heutige internationale RTL-Group entstand, waren die europäischen Kartellbehörden zuständig. Und außerdem war auf die höchst Bertelsmann-freundliche Haltung in weiten Teilen der deutschen Medienpolitik Verlass: Zwar wurde seinerzeit die Medienkonzentrationskommission KEK aus der Taufe gehoben, aber deren Schranken so hoch gehängt, dass Bertelsmann locker unten durch passte.

Doch jetzt interpretiert das für den wirtschaftlichen Wettbewerb zuständige Kartellamt den deutschen Fernsehmarkt wie im Fall Springer: Und da, so die Behörde, verfüge RTL gemeinsam mit ProSiebenSat.1 „bereits heute über eine marktbeherrschende Stellung“. Und dieses Duopol, diese „kollektive Marktbeherrschung“, werde „nach bisherigen Erkenntnissen des Bundeskartellamtes“ durch den Kauf der restlichen 50 N-tv-Prozente vom US-Medienkonzern CNN/Time Warner abgesichert und verstärkt. „Gerade wenn bereits ein ziemlich wettbewerbsloser Zustand vorliegt“, komme es auf „jede Veränderung“ bei den Besitzverhältnissen an, sagte Kartellamts-Präsident Ulf Böge der taz. Bislang habe es bei n-tv eine „gemeinsame Kontrolle“ durch die beiden Eigner-Konzerne gegeben. „In dem Moment, wo RTL die alleinige Kontrolle über den Kanal hat, geht es nicht mehr um n-tv alleine, sondern um die RTL-Gruppe“, so Böge.

RTL ließ gestern wissen, man werde fristgerecht bis Donnerstag nächster Woche Stellung nehmen. Sendersprecher Christian Körner wies nur daraufhin, Kartellamt wie Medienkonzentrationskommission hätten n-tv „bisher voll zu RTL gerechnet“. Unter der Nummer KEK 309 steht die geplante Übernahme heute auch auf der Tagesordnung der Potsdamer Konzentrationswächter. Da es hier aber nur um die vergleichsweise homöopathischen Zuschaueranteile von n-tv geht, sei der Fall „anders gelagert“, heißt es bei der KEK.