Hauchdünner Vorsprung für Oscar Arias

Bei den Präsidentschaftswahlen in Costa Rica liegt der Nobelpreisträger und Expräsident nur knapp vor seinem Konkurrenten Otón Solís. Während Arias auf Modernisierung und wirtschaftliche Öffnung baut, wollte Solís zurück zu Sozialstaat und Bildung

VON RALF LEONHARD

Oscar Arias, der voraussichtliche Wahlsieger im mittelamerikanischen Costa Rica, bat seine Anhänger in der Wahlnacht, die Siegesfeiern 24 Stunden zu verschieben. Noch nie wurden Präsidentschaftswahlen in Costa Rica so knapp entschieden wie letzten Sonntag. Nach der Auszählung von 85 Prozent der abgegebenen Stimmen lag Arias mit 40,6 Prozent nur einen Hauch vor seinem engsten Konkurrenten, dem Linksliberalen Otón Solís (40,2 Prozent). Wer die Mehrheit und mindestens 40 Prozent erreicht, gilt ohne Stichwahl als Sieger.

Die Kandidatur von Oscar Arias hat so etwas wie Flair in die sonst provinzielle Innenpolitik Costa Ricas geweht. Zwanzig Jahre ist es her, dass der Sozialdemokrat und Nobelpreisträger zum ersten Mal in das höchste Amt gewählt wurde. Doch heute gilt es nicht mehr, Costa Rica aus einem bewaffneten Konflikt herauszuhalten. Vielmehr geht es um die Glaubwürdigkeit der Politik und eine wirtschaftspolitische Richtungsentscheidung.

Zwei Expräsidenten sitzen wegen Korruption hinter Gittern, ein dritter hat sich durch Flucht der Strafverfolgung entzogen. Das war zwar nur ein Randthema in diesem Wahlkampf, doch die Folgen sind unabsehbar. Das traditionelle Zweiparteiensystem, in dem sich Sozialdemokraten und Christdemokraten mit fast ungebrochener Regelmäßigkeit an der Macht abwechselten, gehört der Vergangenheit an, die Christdemokraten sind fast von der Bildfläche verschwunden. Nicht weniger als 14 Kandidaten bewarben sich diesmal um das Präsidentenamt. Die beiden, die letzten Endes das Rennen untereinander ausmachten, stammen aus derselben Partei, der sozialdemokratischen PLN (Partido de Liberación Nacional). Otón Solís ist ein linker Dissident, der mit der PAC (Partido de Acción Ciudadana) seine eigene, am gegenwärtigen Trend in Südamerika orientierte Partei gegründet hat.

Anders als Oscar Arias versprach er die Abkehr vom neoliberalen Dogma und die Rückkehr zum Sozialstaat, wobei vor allem wieder mehr in Bildung investiert werden soll. Gerade das höhere Bildungsniveau hat dem Land einen Vorsprung gegenüber seinen Nachbarn verschafft. Landwirtschaft und Industrie sollen sich auf den Binnenmarkt orientieren statt auf die USA. Arias hingegen trat unter der Fahne der Modernisierung und wirtschaftlichen Öffnung an.

Costa Rica, die entwickeltste und politisch stabilste der fünf mittelamerikanischen Republiken, ist das einzige Land der Region, das den Freihandelsvertrag mit den USA noch nicht ratifiziert hat. Arias will das ändern. Durchaus auch zum Vorteil seiner eigenen Unternehmen, wie Kritiker anmerken. Er plant, die Telekommunikation und das Versicherungswesen der privaten Konkurrenz preiszugeben und gleichzeitig die staatlichen Dienstleistungen zu verbessern: mittels drastischer Anhebung der Steuern. Die Abgabenquote von derzeit 13 Prozent will er auf 30 Prozent hochschrauben. „Wenn wir Leistungen wie in der ersten Welt wollen, müssen wir auch Steuern zahlen wie in der ersten Welt“, lautet sein Credo.