Gegen die Ikea-Logik
: KOMMENTAR VON HANNES KOCH

Deutschland feiert das Konzept der Billigarbeit. Gegenüber ihrem Personal verhalten sich die Unternehmer wie die Konsumenten an den Schnäppchen-Regalen der Warenhäuser: Beschäftigte sollen möglichst kostengünstig sein, dabei aber von leidlicher Qualität, sodass sie ein paar Jahre durchhalten. Gegen diese Ikea-Logik wehrt sich die Gewerkschaft Ver.di mit ihrem Streik in Baden-Württemberg.

Mit ihrem Aufruf zur Arbeitsniederlegung reagiert sie auf die Ansage der öffentlichen Arbeitgeber, die Arbeitszeit ohne Mehrbezahlung von 38,5 auf 40 Stunden pro Woche zu erhöhen. Im Umgang mit seinen Beschäftigten hat der Staat von der Privatwirtschaft gelernt: Jedes Jahr aufs Neue dreht man die Schraube eine Umdrehung weiter: Während die Lohnerhöhungen hinter dem Kaufkraftverlust zurückbleiben, sollen die Kosten der Arbeit durch unbezahlte Zusatzstunden gedrückt werden. Im Hintergrund steht dabei das Argument, dass Arbeit in Deutschland im internationalen Vergleich angeblich zu teuer sei und der öffentliche Dienst sich eine luxuriöse Extrawurst keinesfalls leisten dürfe.

Die vermeintliche Wahrheit von den allgemein zu hohen Löhnen – ein fester Bestandteil des öffentlichen Diskurses – trifft freilich kaum für die Branchen zu, die Ver.di nun bestreikt. Deutsche Kindertagesstätten müssen sich nicht osteuropäischer Niedriglohn-Konkurrenz erwehren, französische Krankenhäuser bedrohen nicht die Jobs in hiesigen Kliniken und portugiesische Abfallentsorger wetteifern nicht mit der Stuttgarter Müllabfuhr.

Was also soll die fortgesetzte Lohndrückerei seitens der Finanzminister und kommunalen Kämmerer? Manche Stadt darf zwar als pleite gelten. Aber das deutet nicht nur auf zu hohe Ausgaben, sondern auch zu geringe Einnahmen hin. In wenigen vergleichbaren Staaten ist die Steuerquote inzwischen so niedrig wie in Deutschland. Die Folge: Bund, Ländern und Gemeinden fehlt das Geld, um das notwendige Personal einzustellen. Wer die Qualität im öffentlichen Bildungs- und Gesundheitssystem steigern will, wird das nicht mit Kindergärtnerinnen und Krankenschwestern schaffen, denen man mit schöner Regelmäßigkeit die Arbeitszeit verlängert.