„Das Museum ist kein Ruhekissen“

Hubertus Gaßner, seit Februar Chef der Hamburger Kunsthalle, will das Zeitalter der Flaneure und Salondamen wiedererwecken. Übermäßig revolutionär klingt das nicht. Aber vielleicht hilft’s gegen den Besucherschwund

Er spricht vom Salon. Vom Flanieren und vom gepflegten Gespräch am Bild: Es scheint, als sei Hubertus Gaßner, seit 1. Februar Hamburger Kunsthallen-Chef, im 18. Jahrhundert hängen geblieben. Doch ganz so gestrig ist er nicht, hat er doch zumindest verbal bereits begonnen, die Schwerpunkte seines Amtsvorgängers Uwe M. Schneede zu verrücken. Etliche Visionen blättert der vormalige Leiter des Essener Folkwang-Museums auf – fast zu viele für einen, den die Politiker auch wegen seiner Besucherzahlen holten: Mit einer Cézanne-Schau hatte er 2004 die halbe Republik nach Essen gelockt.

Hubertus Gaßner soll es also nun vollbringen, das lang ersehnte Wunder: Hamburg ins internationale Rampenlicht zu befördern und die anderen Museen gleich mit ins Rettungsboot hieven. Leicht wird das nicht, schleift die Kunsthalle doch seit Eröffnung der Galerie der Gegenwart ein riesiges strukturelles Defizit hinter sich her. Und doch scheint Gaßner gewillt zu sein, den Erwartungen zu entsprechen: Weniger, dafür größer angelegte Ausstellungen will er anbieten, und obwohl er sein Faible für Gegenwartskunst betont, hat er die Junge-Kunst-Reihe „Standpunkte“ doch flugs abgeschafft. Und schickt gleich einen Paradigmenwechsel hinterher: „Mainstream – das ist das, was Kunstmessen und Galerien zeigen“, sagt der stets verbindlich lächelnde Frankfurter. „Ich halte nichts davon, dass Museen versuchen, die Galerien in puncto Aktualität zu überholen.“

Spricht’s und beginnt vom Museum als Ort der „zerstreuten Aufmerksamkeit“ zu schwärmen, die neues Publikum binden soll. Erste Etappe soll die – aus Essen übernommene – Caspar-David-Friedrich-Schau im Juni sein. „Wir müssen die Hemmschwelle senken“, sagt er, und zwar „durch Nachtöffnungen, Salons und Table Talks.“ Nein, die „Lange Nacht der Museen“ meint er nicht. „Das ist reiner Konsumismus.“

Welches aber sind die Alternativen? „Wir müssen uns damit abfinden, dass sich die Wahrnehmungsgewohnheiten geändert haben. Da wird gezappt und auf bewegte Bilder Wert gelegt – insofern steht das Medium Museum quer. Wir wollen zeigen, dass es sich trotzdem lohnt, genauer hinzuschauen.“ Auch auf die vom Vorgänger sorgsam gehegte Hamburger Kunst? Je nun, da ist er skeptisch. „Ich halte die Separierung dieser Sparte im ‚Hamburger Gang‘ für zu kleinkariert. Ich will Hamburger Kunst lieber im internationalen Kontext zeigen. Es kann nicht angehen, dass hier ein Ruhekissen für Hamburger Künstler entsteht, die wissen, dass jeder irgendwann mal drankommt.“

Haltungen, für die ihn die Hanseaten nicht nur lieben werden. So rudert er dann auch gleich zurück: Ob der Hamburger Gang abgeschafft werde – „das entscheide ich ja nicht allein. Das wird im Kollegium diskutiert“. Denn einen Identifikationspunkt zu zerstören – das wäre für einen, der auch die lokalen Besucher brauchen wird, dann doch recht riskant. P. Schellen