„Die suchen einen Schließer“

Pädagoge führt Bewerbungsgespräch im Geschlossenen Heim Feuerbergstraße und will den Job danach nicht mehr: „Es ging nur um Gewalt.“ Vertrauen zu den Jungen aufzubauen, sei unmöglich, hört er. Mitarbeiter prahlte mit brutalen Phantasien

„Wenn ich gesagt hätte, ich mach‘ die erst mal rund, hätte ich den Job gekriegt“ „Es wurden Szenen geschildert, in denen Mitarbeiter gewürgt wurden“

Von Kaija Kutter

Die Personalsuche fällt dem Geschlossenen Heim in der Feuerbergstraße bekanntlich nicht eben leicht. Allein im Dezember wurden drei Pädagogen gesucht und sprangen zwei der ausgewählten Bewerber wieder ab, wie aus einer SPD-Anfrage hervorgeht. Der Sozialpädagoge Thomas Heitmann (Name geändert) bewarb sich auf eine dieser Stellen und versteht seither, „warum die niemanden finden“.

Recht „lukrativ“ habe im Oktober auf ihn die Anzeige für eine Anstellung in dem Heim für straffällig gewordene Jugendliche gewirkt, berichtet der 30-Jährige, der nach seinem Studium zunächst als Bewährungshelfer für junge Erwachsene arbeitete. „BAT 4b oder a wurden geboten, das ist für einen Sozialpädagogen am Anfang das Höchste der Gefühle.“ Er lies sich einen Termin geben, las das Konzept und erschien Ende November pünktlich im Ohlsdorfer Heim.

Fünf Leute hätten ihm gegenüber gesessen: der Heimleiter, sein Vize, eine Psychologin, eine Personalrätin und ein Gruppenleiter. Doch das Gespräch drehte sich zu seiner Überraschung nicht um die im Konzept beschriebene Pädagogik.

Stattdessen bekam er zu Beginn einen Zettel mit zwei Fragen. Thema: „Formen der Gewalt“ im Geschlossenen Heim und die Verhinderung von „Impulsdurchbrüchen“. Als daraufhin das Gespräch nicht in Fluss kam, wurde er vom Stellvertreter mit einer brenzligen Situation konfrontiert. „Ich sollte mir vorstellen, ich wäre mit fünf Jungen allein in der Gruppe beim Essenkochen. Plötzlich würde mich einer mit heißem Essen bewerfen und die Übrigen einen Angriff auf mich vorbereiten.“ Hilfe zu holen, sei nicht möglich.

Er sei konstaniert gewesen. Steht doch im Konzept der Geschlossenen Unterbringung (GUF), dass stets zwei Pädagogen eine Gruppe betreuen, was auch in der Jugendhilfe üblich sei – und übrigens Grundlage der GUF-Betriebserlaubnis ist. Doch als Heitmann zurückfragte, wie es denn sein könne, dass er dort allein sei, wurden ihm drastische Situationen geschildert von Mitarbeitern, die gewürgt oder mit Tritten verletzt würden.

Schließlich erklärte Heitmann, dass er sich „natürlich nicht wehren, sondern weglaufen“ würde. „Darauf hieß es: ‚Was? Sie würden abhauen!‘“. Heitmann heute: „Ich denke, wenn ich gesagt hätte, ich schnappe mir den Jungen und mache ihn erst mal rund, hätte ich den Job bekommen.“

Anschließend sollte der Bewerber sagen, worauf er Wert lege. „In der Bewährungshilfe habe ich gelernt, dass es das Wichtigste ist, zu Probanden Vertrauen aufzubauen“, erinnert er. Doch dies wurde als Flausen abgetan: In der kurzen Zeit, in der die Jungen dort seien, könne kein Vertrauen aufgebaut werden, habe ihm die Psychologin erklärt.

Als ihn später der Gruppenleiter zur Tür brachte, habe er diesen gefragt, wie er selbst in besagter Essens-Szene reagiert hätte. Heitmann: „Er lächelte und sagte, die Jugendlichen würden von ihm ‚einen Einlauf bekommen, dass ihnen Hören und Sehen vergeht‘“. Er sei „richtig aufgebracht“ gewesen, erinnert sich Heitmann. Die GUF, so meint er, suche keinen Sozialpädagogen, sondern einen „Schließer“. Der Gewalt, die durch die Geschlossenheit entstehe, werde offenbar mit Gegengewalt geantwortet.

Für die GAL-Politikerin Christiane Blömeke macht das Bewerbungsgespräch deutlich: „Das Geschlossene Heim war nie eine Jugendhilfeeinrichtung und wird es auch nicht werden.“ Es sei „erschreckend“ zu hören, dass für vertrauensbildende Maßnahmen Zeit fehle und Pädagogen scheinbar danach ausgesucht würden, „ob sie bereit sind, gewalttätige Situationen mit Gewalt zu beantworten“.