JOSEF WINKLER über ZEITSCHLEIFE
: Die Schwachmatenparade

Ein Herz für harmlose Schnullis ist doch keine Schande! Der Feind sitzt ja wohl anderswo?

Ich muss noch was schreiben, sage ich zu Aline beim Kaffeezapfen; für die taz. „Für die Katz?“ Also wirklich. Nein, für die TAZ! Aber spaßiger Kalauer. Ich habe ja ein Herz für den Kalauer, den Schwachmaten unter Witzen (außer wenn die Jelinek damit ankommt).

So wie ich oftmals Duldsamkeit fürs tendenziell Harmlos-Schnullige aufbringen kann. Genau in diesem Zusammenhang fand ich mich letzthin hier in der taz etwas eindimensional dargestellt (Wie? Ja, ich wurde in der taz dargestellt! Cool, was?!).

Mein Freund Arno zog mich heran als Musterexemplar des arglosen, dem Zynismus abholden Milden, weil ich in der Tat kein Problem damit habe, wenn einer wie Bono von U2 auf den Schößen der Mächtigen der Welt und meinetwegen zur Befriedigung seiner Eitelkeit sein so genanntes „Gutmenschentum“ praktiziert. Weil ich einfach nicht die negativen Effekte dieses Wirkens sehe, die die potenziell positiven aufwiegen könnten.

Wenn der Typ kraft seines Celebrity-Status und seines übersteigerten Selbstbewusstseins einen Beitrag zur Entschuldung der Dritten Welt leisten kann, dann nur zu; wie viele schlechte Platten er da nebenbei macht und wie oft er sich bei Medienpreis-Galas von Peter Maffay an die Brust drücken lässt, ist mir eher wurst. Ich bin gerüstet, mit solchen ästhetischen Zumutungen umzugehen. Mir fehlt da der polemische Beißreflex.

Oder hier, vielgescholtener Parade-Schwachmat: Johannes B. Kerner. Ich bin noch immer nicht ganz dahinter gekommen, was so entsetzlich an Johannes B. Kerner als (wohlgemerkt) Fußballreporter sein soll. Kann’s auch nicht ganz beurteilen, weil ich gottlob nicht so drinstecke im Fußball (und der einzige Reporter, der mir die Faszination dieses Spiels nahe bringen kann, Günther Koch, ist gar nicht erst nominiert für die WM).

Aber ich schätze mal, Kerner „macht den Fußball kaputt“ mit seinem angeblichen Schwachmaten-Gewäsch.

Okay; dann müsste mir aber noch jemand erklären, was genau an der medialen und kommerziellen Aufbereitung des Fußballs noch nicht völlig kaputt ist, speziell an den bereits ihre Schatten werfenden Exzessen der Fifa Inc. Fußball Welt©Meisterschaft 2006® oder wie das heißt. Ist das nicht süß? Die Fifa gibt Regeln heraus, wie ihre Markennamen von den Medien richtig zu verwenden sind. Auch an dem Maß, wie Letztere sich hier von Ersteren arschlecken lassen, wird sich zeigen, wie weit es mit der Pressefreiheit her ist bei uns. Mit der Pressefreiheit und den „Werten der Aufklärung“, von denen so viel und pathetisch die Rede ist dieser Tage, seit aufgeklärte westliche Polemiker mit einer nutzlosen Provokation einer Kaste von Demagogen das Zeug in die Hand gegeben hat, das diese so nötig brauchen für ihr ekles Geschäft.

Und wir können jetzt den augenrollenden Irren beim Flaggenverbrennen zuschauen und uns wohlig aufgeklärt fühlen. Nur damit ich richtig liege: Sind das dieselben Werte der Aufklärung, die im TV wirken, wenn ganze Bevölkerungsschichten zu Konsumenten, Wahlvolk und Humankapital zurechtgedummt werden? Die in München bei den Demos gegen die Nato-Sicherheitskonferenz von Amts wegen auf ein Minimum zurückgeschraubt werden, das es gerade nicht mehr erlaubt, den Mob einfach zusammenzuschießen? Die Wirtschaftsfaschismus, Guantánamo, Folterflüge, biometrischen Pass, Konzernumtriebe, Umweltzerstörung etc. blabla begünstigen oder ermöglichen?

Wo sind dann die Reportagen über die abgründigen Methoden der Discount-Riesen in den großen Tageszeitungen? These: Wenn die Islam GmbH ein Anzeigenkunde des Jyllands-Posten wäre, hätte der Chefredakteur die Idee mit den Mohammed-Karikaturen hübsch einkassiert.

Ich bilde mir mal nicht ganz so viel ein auf unsere Werte der Aufklärung, solange wir sie selber demontieren und drauf seichen, wie es uns in den Kram passt.

Oh. Bin ich jetzt vom Thema weg? Hm. Mir doch egal! I’m reckless and mild! Und verbleibe dadaistisch mit Johnny B.: „Meine Güte, was wird möglicherweise in Dakar jetzt getrommelt!“

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