Großflughafen vor Gericht

Der Streit um Berlins Flughafen Schönefeld geht in die letzte Runde. Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt seit gestern 120 Klagen gegen das Projekt

BERLIN taz ■ Jahrelang haben sie gekämpft – jetzt ist für die Gegner des neuen Hauptstadtflughafens in Schönefeld bei Berlin der große Tag gekommen: Gestern begann vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig das Verfahren über das Zwei-Milliarden-Projekt. Jetzt finden die Flughafengegner, was ihnen in der Auseinandersetzung immer fehlte: unabhängiges Gehör. Mehr als 30 Kläger erschienen zum Auftakt der mündlichen Verhandlung, die Bürgerinitiative gegen den Flughafenausbau hatte einen Shuttlebus organisiert.

In dem Leipziger Verfahren geht es um das derzeit größte Infrastrukturprojekt in Deutschland. Die Länder Berlin und Brandenburg und der Bund wollen den Flugverkehr der drei Berliner Flughäfen – Tegel, Tempelhof und Schönefeld – am Standort Schönefeld zusammenführen. Damit sollen vor allem die fluglärmgeplagten Anwohner in der Innenstadt entlastet werden. Zudem setzen die Flughafenbefürworter auf Wirtschaftswachstum durch das Großprojekt. 2011 soll der Flughafen in Betrieb gehen. Dagegen klagen nun Anwohner und Gemeinden vor dem Gericht in Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht ist die letzte Instanz und will noch in der ersten Jahreshälfte urteilen.

Das Verfahren ist das bislang größte vor dem Leipziger Gericht. Der Saal in dem wilhelminischen Prachtbau ist imposant: Einige Dutzend Beteiligte und Zuhörer passen mühelos in den Raum, der dunkle Tage erlebt hat:1933 führten die Nazis hier im Reichsgericht ihren Schauprozess gegen den Kommunisten Georgi Dimitroff, dem sie den Reichtagsbrand anlasteten.

Der gestrige Verhandlungstag begann mit einem kräftigen Schlagabtausch über die entscheidende Frage des Projekts: den so genannten Planfeststellungsgrund. Gemeint ist damit, ob der Flughafen überhaupt notwendig ist. Das bezweifeln die Anwälte der Projektgegner. Sie argumentieren, das bisherige Flughafensystem in Berlin sei leistungsfähig genug und könne auch steigenden Bedarf decken, sogar wenn man den stark frequentierten Flughafen Tegel entlaste. Die Entscheidung, den Standort Schönefeld zu wählen, sei eine rein politische gewesen, sagt Anwalt Wolfgang Baumann.

Die Vertreter des Landes Brandenburg, das im Verfahren beklagt wird, bestritten dies. Berlins Flughäfen operierten an der Leistungsobergrenze, so Anwalt Klaus-Peter Dolde. Eine Erweiterung sei zwar möglich, aber mit enormem Aufwand verbunden. Auch der neue Münchner Flughafen sei genehmigt worden, um die Innenstadt zu entlasten. Das habe 1986 auch das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Der Vorsitzende Richter, Stefan Paetow, sah dies ähnlich. Eine Planung dürfe auch Ziele haben – etwa das, eine Situation zu verbessern. Man müsse nicht warten, bis „alles zusammenbricht“.

Ferdi Breidbach, Mitgründer der Bürgerinitiative, zeigte sich mit dem Prozessauftakt zufrieden. Eine Prognose wollte er nicht abgeben: „Wer das tut, begibt sich auf Glatteis.“ Auch Hans Schallehn aus Schulzendorf war zufrieden: „Das Gericht arbeitet handwerklich“, sagt der Mann, dessen Haus in der geplanten Einflugschneise liegt. „Die fliegen 120 bis 150 Meter über meinem Kopf. Das ist blanker Wahnsinn.“ Das Haus, das er seit 40 Jahren bewohne, sei dann „praktisch wertlos“. RICHARD ROTHER