Raus aus der Formlosigkeit

THEATER René Pollesch inszeniert „Mädchen in Uniform. Wege aus der Selbstverwirklichung“

Scharf sein will René Pollesch mit jedem seiner Stücke, wichtig sind die Inhalte. Die mit anspruchsvoller kapitalismuskritischer Theorie vollgestopften Texte stehen deshalb bis zuletzt zur Disposition. Wie sie am Ende von den Schauspielern gesagt werden, ist zweitrangig. Zuerst kommt die Frage: wollen sie das überhaupt? Oder verweigern sie die Übernahme von Identität und Psychologie der Rolle? Des Dramatikers Stücke, immerhin bereits rund 150, lebten von der „Kompetenz für das, was meine Probleme sind, von meinem Wunsch, mich zu verorten, meinem Wunsch, mich zu orientieren und der damit verbundenen Energie“.

Diesmal kam sogar der Vorschlag, sich das 1958 mit Romy Schneider und Lilli Palmer als „Mädchen in Uniform“ verfilmte Remake von Christa Winsloes Schauspiel „Ritter Nérestan“ vorzunehmen, von den Schauspielerinnen Sophie Rois (Foto) und Christine Groß, die mit drei Kolleginnen und einem zehnköpfigen Frauenchor auf die Bühne treten, selbst. Darin entwickelt eine der Schülerinnen im autoritär geführten preußischen Pensionat, in dem Frauen für ihr Leben mit „Küche, Kirche und Kindern“ erzogen werden sollen, starke Gefühle für ihre junge, engagierte Lehrerin, die mit dieser Liebe überfordert ist.

„Mädchen in Uniform. Wege aus der Selbstverwirklichung“ ist bei Pollesch daraus geworden. Und die Frage nach dem Zusammenhang von Freiheit, Selbstverwirklichung, Disziplin und Institution. Was nämlich, wenn der Ausbeuter nicht mehr da ist, die autoritäre Disziplin? Woher, fragt Pollesch mit TheoretikerInnen wie Donna Haraway oder Michel Foucault, kommt jetzt die Macht? Denn heute tut sich niemand mehr solidarisch gegen die strenge Oberin zusammen und verhindert den Selbstmord der verliebten Schülerin. Weil die Oberin längst in uns selbst steckt? MATT

■ Premiere: Do, 25. 2., 20 Uhr, Schauspielhaus, Kirchenallee; weitere Termine: Sa, 27. 2. und Fr, 5. 3., je 20 Uhr