BEI JAMIE T.
: Überall Teenies

„I am here, you are here, we all are here“

Als ich den dunklen Grenzbezirk mit meinen Cowboystiefeln entlangschlurfe über die angetauten Eisplatten, den Kies, die Hundescheiße, in der Ferne das illuminierte O2-Raumschiff, da beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Kann es sein, dass ich hier völlig verkehrt bin? Gütiger Himmel, denke ich, hier treiben sich ja nur gottverdammte Teenies herum! Was mache ich nur hier? Die sind hier, um sich zu tümmeln, zu schwitzen, zu pogen. Das kommt davon, wenn man wie ich nur die Musik hört, ohne sich im Geringsten für das Drumherum zu interessieren.

Die Songs von Jamie T. sind große Klasse. Ich hätte es dabei belassen sollen. Ich verdrücke mich in eine Ecke, rauche und beobachte die kleinen hysterischen, schwerstparfümierten Mädchen mit den großen Ohrringen. Der Support Act heißt Protokumpel, bestehend aus elektronisch zusammengefrickelten Geräuschen und zwei Springmäusen auf Koks. Die eine ist aus Moabit, die andere aus dem Wedding. Sie brüllen sinnloses Zeug ins Mikrofon und wollen ein Kind, dabei zeigen sie ins Publikum. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass jemand vor der Bühne das auch will, denn die Reaktion ist kühl, die Leute beäugen sie verwundert und denken, was sind das denn für welche?

Dann erscheint Jamie T. in einem Kapuzenshirt. Und die Pacemakers. Und Nebel. Fast schon bin ich versöhnt, denn der kleine Junge mit dem starken britischen Akzent ist ja erst 24, er hüpft wild herum und gibt alles, was nicht wenig ist, wenngleich das hinreißende „Salvador“ rappelt und scheppert. Aber als er zwischenmoderiert, „I am here, you are here, we all are here“ und den kreischenden Teenies choreografische Anweisungen gibt, da stehle ich mich unauffällig davon. Vor dem Tresen machen zwei abgefüllte Jungs wilde Verrenkungen und verschütten Bier. Beeindrucken tun sie niemanden. KLAUS BITTERMANN