SVEN KRAMER
Der Unbesiegbare entgleist

Über Sven Kramer schwebte der Nimbus der Unbesiegbarkeit. Seit November 2007 hat der niederländische Kufenflitzer kein Langstreckenrennen verloren. Nach dem 5.000-Meter-Rennen vor einigen Tagen bekannte der russische Bronzemedaillengewinner Iwan Skobrew geradezu fatalistisch: „Ich würde Kramer gerne schlagen, aber das ist unmöglich, denn er ist der beste Eisschnellläufer aller Zeiten.“

Skobrew hat sich geirrt. Kramer ist nicht unschlagbar. Er mag derzeit unfehlbar erscheinen, sein Trainer aber ist es nicht. Gerard Kemkers schickte beim 10.000-Meter-Lauf seinen Athleten, der sich mit den schnellsten Zwischenzeiten auf Goldkurs befand, bei Kilometer sieben auf die falsche Bahn. Es folgte die Disqualifikation.

Mit drei Goldmedaillen wollte Kramer sich unter die Topathleten der olympischen Geschichte einreihen. Stattdessen wird der selbstbewusste Modellathlet jedoch als Unglücksrabe von Vancouver in die Annalen eingehen. Sein Coach Kemkers ist aber fast bedauernswerter.

So gnadenlos, wie Kramer ansonsten die Konkurrenz auf Distanz hält, so gnadenlos attackierte er nach dem verhängnisvollen Rennen Kemkers: „Verdammt noch mal, was für ein Arschloch, er verweist mich in die falsche Kurve.“ Und weiter schimpfte er derbe: „Ich habe mir zwölf Runden lang die Eier aus meiner Hose gelaufen.“ Diese verbalen Entgleisungen wird man Hollands Liebling zu Hause wohl kaum übel nehmen. Kramers Status scheint unantastbar zu sein. Der so unflätig bescholtene Kemkers attestierte Kramer gar, sich bei einer Aussprache wie ein „reifer Erwachsener“ verhalten zu haben. Die Niederländer, die nun eine erhöhte Stromrechnung erhalten, werden das gewiss auch Kemkers anlasten. Ein Sponsor aus der Energiebranche hat nämlich die Preise für seine Kunden an die olympischen Erfolge von Kramer gekoppelt. JOHANNES KOPP