„Wahlfälscher unschädlich machen“

Apollinaire Malu-Malu, Präsident der Unabhängigen Wahlkommission der Demokratischen Republik Kongo, fordert eine EU-Militärintervention bei den geplanten freien Wahlen: „Ein Truppeneinsatz schafft ein Klima der Sicherheit für das Volk“

INTERVIEW DOMINIC JOHNSON

taz: Was halten Sie von der Bitte der UNO an die EU, eine Truppe in den Kongo zu schicken, um die Wahlen abzusichern?

Malu-Malu: Ich begrüße das. Denn unsere Pläne zur Absicherung der Wahlen sind im Rückstand. Kongos neue nationale Armee FARDC sollte achtzehn Brigaden haben – sie hat acht. Die neue Polizei PNC sollte 32.000 ausgebildete Mitglieder haben – es sind 15.000. Also ist es wichtig, zusätzliche Kräfte zu haben.

Welches Sicherheitsrisiko sehen Sie für die Wahlen?

Zum einen gibt es Unsicherheit wegen der Präsenz ausländischer Milizen im Osten des Landes: in Ituri, in Nord- und Südkivu. Dann gibt es Unsicherheit dort, wo die Zusammenführung bisheriger Kämpfer in die FARDC schlecht funktioniert. Es gibt auch Provinzen, in denen die Autorität des Staates nicht bis überall reicht und wo es bewaffnete Gruppen gibt – Teile von Katanga und von Nordkivu. Es gibt sich selbst überlassene Militärs, beispielsweise in den Wäldern von Équateur, die nur ihre Waffe haben, um zu überleben. Und es besteht das Risiko gewaltsamer Konfrontationen zwischen politischen Parteien, zum Beispiel in den Kasai-Provinzen oder in Teilen Kinshasas. All diese Unsicherheit kann ernste Folgen haben, wenn einer der Kriegsführer sie ausnutzen will.

Haben die bisherigen Kriegsführer – der Präsident, die vier Vizepräsidenten – genug militärische Schlagkraft, um den Wahlprozess zu torpedieren?

Sie haben die Kraft, ihn zu stören. Aber die ist begrenzt, weil die Bevölkerung es nicht mehr zulassen wird. Die gesamte Bevölkerung ist vom Krieg gezeichnet, nach all den Kriegsverbrechen und Massakern. Dennoch bleibt Angst.

Eine europäische Truppe kann nicht alle diese Gefahren bewältigen. Was wäre ihre wichtigste Aufgabe?

Unterstützen, was die UN-Mission im Kongo (Monuc) und die Armee bereits tun. Monuc, Regierung und EU müssen gemeinsam Stationierungsort und Aufgabe dieser Truppe klären.

Haben kongolesische Milizionäre mehr Angst vor europäischen Soldaten als vor ihren eigenen?

Nein. Es geht um Abschreckung. Kongos Krieg ist ein Krieg der Armen. Wenn eine Streitmacht kommt, die beispielsweise über eine Luftwaffe verfügt, macht das einen Unterschied. Ausschlaggebend sind die Ausrüstung und die Professionalität.

Ist der Wunsch nach einer internationalen Truppe für die Wahlen nicht ein Eingeständnis der Angst, dass die jetzigen Machthaber eine Niederlage nicht akzeptieren?

Es geht um mehr. Wenn jemand sich gegen den Willen des Volkes zum Wahlsieger erklärt, muss man ihn unschädlich machen. Aber ein Truppeneinsatz schafft auch ein Klima der Sicherheit für das Volk insgesamt.

Braucht es nicht auch politische Schritte, um sicherzustellen, dass jede Partei das Wahlergebnis akzeptiert?

Wir haben dreierlei Aufgaben: Die Stimmauszählung findet direkt in den Wahlbüros statt. Die Ergebnisse müssen schnell vorliegen. Und der Prozess muss transparent sein. Die internationale Gemeinschaft ihrerseits muss klar sagen, dass sie den demokratischen Weg unterstützt und nicht die Spekulation einzelner Politiker. Man muss den unterstützen, den das Volk wählt.

Ist Kongo vorbereitet auf eine Mehrheitsdemokratie mit Gewinnern und Verlierern, Regierung und Opposition?

Das Referendum über die neue Verfassung im vergangenen Dezember hat das bewiesen! Die Nein-Kampagne hat den Sieg des Ja akzeptiert. Wir müssen diese Kultur konsolidieren.

Viele Kongolesen denken, dass nach den Wahlen plötzlich alles besser werden wird. Birgt diese Hoffnung nicht auch Risiken?

Das muss man abwägen. Die Kongolesen haben Recht, wenn sie große Hoffnungen in die Wahlen setzen. Man muss dem System ein Ende machen, in dem die Politiker nur denjenigen verpflichtet sind, die ihnen Geld geben. Doch man darf nicht über die Stränge schlagen. Die Wahlen werden Kongos Legitimitätskrise beenden, aber nicht die Wirtschaftskrise, die soziale Krise, die Krise der Regierungsführung.

Also gibt es nach den Wahlen viel zu tun …

Es gibt einen großen Kampf nach den Wahlen: darum, dass die Gewählten nicht in die Diktatur und die Willkürherrschaft zurückfallen. Wir müssen den heutigen Eifer, Wahlen abzuhalten, hinterher weiter für die Konsolidierung der Demokratie und den Wiederaufbau mobilisieren.

Und wenn die internationale Gemeinschaft nach den Wahlen sagt: So, die Wahl ist gut gelaufen, wir können gehen?

Das wird nicht passieren. Die internationale Gemeinschaft will ja die Wahlen, damit sie sich weiter engagieren kann. Wahlen sind die Bedingung für einen Schuldenerlass und ein Wiederaufbauprogramm. Es gibt bereits einen Wiederaufbauplan im Umfang von 7 Milliarden Dollar, für den 5 Milliarden Dollar zugesagt sind.

Wie kann man Kongos Wiederaufbau unterstützen?

Wir müssen von der Plünderwirtschaft weg in eine produktive Wirtschaft. Die Kongolesen müssen investieren, statt zu spekulieren. Man muss den Leuten Arbeit bieten, und wer Arbeit hat, muss anständig bezahlt werden. Das kongolesische Volk hat bewiesen, dass es diesen Wandel will, und die internationale Gemeinschaft hat bewiesen, dass sie ihn unterstützt. Jetzt müssen unsere Politiker daraus die Konsequenzen ziehen.