DAS GESTERN IM RADIO
: Dunkle Zimmer

In den meisten Schmusesongs stirbt jemand

Zuhause sieht aus wie ein Lampenladen und es ist auch viel wärmer als draußen. In der Abenddämmerung gefällt mir das Licht am besten. Ich schaue in die Blumenkästen, irgendwelche Sachen wachsen. Jeden Tag spricht man mit den jungen Pflanzen und ist gespannt, was da draus wird. Am liebsten würde man sie den ganzen Tag beobachten, um zu sehen, wie sie sich so verhalten.

Im Radio läuft zurzeit dauernd ByteFM. Der Sender heißt so, obwohl es Internet ist, und deshalb läuft er auch über den Laptop. Die Sendungen von Sebastian Hampf gefallen mir sehr gut, und ich muss immer lachen, wenn ich seinen Namen höre. Zum Glück gibt es keine Werbung. Die Radiowerbung auf Radio Eins ist so unangenehm, weil sie einem nicht nur zeigt, wie die denken, wie man ist und was einem gefällt, sondern auch noch so furchtbar schlecht gemacht ist. Weil ich eine Sendung des Kollegen Klaus Walter verpasst hatte, war ich vor kurzem Freund von ByteFM geworden.

Das Thema heute lautet: „Schmuse-Songs“. Es gibt „Lemon Incest“ von Serge Gainsbourg und eine englische Version von „Je t’aime … moi non plus“. Wir hatten dazu als Dreizehnjährige eng umschlungen in dunklen Zimmern getanzt. Jahrelang hatte ich das schöne Lied missverstanden als „Ich liebe dich … ich dich nicht“. Und dann Georges Moustaki – „Le Facteur“: ein total pathetisches Lied über einen Briefträger, der dann stirbt und deshalb keine Liebesbriefe mehr austragen kann. Ich hatte es mit vierzehn zuletzt gehört und ganz toll gefunden. In den meisten Schmusesongs stirbt jemand. Es ist traurig, dass inzwischen auch Georges Moustaki gestorben ist. Auf Spiegel Online gab es einen Nachruf und unter dem Nachruf einen Leserkommentar: „Schade um Georges. Er wird uns fehlen. Er hätte noch alt werden können. Er war Raucher.“

Wie ich diese Leute hasse. DETLEF KUHLBRODT