ALS MARODEUR UNTERWEGS
: Erster Flashmob

Fup würde vielleicht Räuber sagen. Auch sehr schön

Ich gehe mit Fup zum Kottbusser Tor zu unserem ersten Flashmob. Neben dem Kreuzberg-Café kriege ich ein T-Shirt, auf dem „Çapulcu 36“ steht. Das heißt Marodeur. So hat Tayyip Erdogan die gegen seinen autoritären Regierungsstil demonstrierenden Türken beschimpft. Ich finde Marodeur ganz toll. Wer würde denn hierzulande jemanden noch als Marodeur beschimpfen? Hier hießen die nur Kriminelle. Fup würde vielleicht Räuber sagen, was auch sehr schön wäre.

Nachdem die Kundgebung fertig ist, stehen die „Çapulcu“ unten auf dem Gehsteig in lockeren Gesprächsgrüppchen. Polizeiautos kommen. Jemand sagt, es könnte sein, dass die jetzt die Personalien der Leute aufnehmen. Zuerst denke ich: Wieso? Dann denke ich: Meine können sie ruhig haben. Dann kommen ein paar Polizisten über die Straße, von denen man den Eindruck kriegt, es würde ständig auf sie geschossen, denn sie tragen Kampfmontur und schusssichere Westen. Einer fragt, ob er jemanden sprechen könne. Die „Çapulcu“ gucken misstrauisch. „Wir tun dem auch nichts“, sagt er. „Wir wollen nur reden.“ Dann erklärt er, dass wir gerade gegen das Versammlungsverbot verstoßen hätten. Aber er will da jetzt auch kein großes Drama draus machen und das ganze „als Ausdruck sozialer Netzwerke“ abhaken. Schade, denke ich, ich hätte ihm gern meine Personalien gegeben. Damit das auch mal dokumentiert ist. Aber da hat mir jetzt ein geheimnisvolles „soziales Netzwerk“ einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich frage mich, warum der Polizist uns das erklärt. Sie hätten auch einfach wieder abdampfen können. Ist ja auch nichts passiert. Aber seitdem hier ständig deeskaliert wird, kann man nicht mal mehr was Illegales machen.

Eine schlecht gelaunte ältere Frau im Rollstuhl ruft „Platz da!“ und gibt Gas. Polizisten und Demonstranten treten hektisch zur Seite. KLAUS BITTERMANN